Kleingewässer brauchen mehr Schutz
In den vergangenen 50 Jahren sind in Deutschland rd. 75 % aller Kleingewässer verschwunden. Sie wurden zugeschüttet, um die Feldarbeit zu erleichtern, verwandelten sich zu Holzlagerplätzen im Wald oder sie wurden im Zuge von Siedlungen oder Straßen überbaut. Im Gefolge der Flurbereinigungen, die natürlich bei der Arrondierung von bäuerlichem Besitz eine Rolle spielten, räumten Bagger und Planierraupen nicht selten auch gleich die Feldflur aus. Gebüsch, kleine Forste, Felsen und Hecken verschwanden, um großflächige Felder zu bilden – und natürlich hatten kleine Tümpel, Vernässungen, Moore oder mäandrierende Bäche wenig Freunde bei den Vertretern der industriellen Landwirtschaft. Das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung der Kleingewässer war nicht nur in Deutschland gering, sondern auch in anderen Staaten. So verschwand beispielsweise in Irland in den letzten 100 Jahren die Hälfte der für Amphibien geeigneten Feuchtgebiete: Die Nutzung der Flächen für die Landwirtschaft oder der Torfabbau spielte eine zentrale Rolle beim Verschwinden der ‚wetlands‘. Und der Ausbau der Milchwirtschaft macht noch heute so mancher Vernässung den Garaus.
EU-Verordnungen holen keinen Tümpel zurück
Etwas verblüffend ist es für mich, dass nahezu alle über den Klimawandel reden, doch weit weniger Menschen sich für unsere Kleingewässer interessieren. Aber da geht es den Tümpeln, Weihern und Bachläufen wie den Mooren: Lautstark wird über heiße Sommer und fehlenden Regen philosophiert oder polemisiert, doch die Fürsprecher für die großen und kleinen Wasserspeicher melden sich zu wenig zu Wort. Viel zu schnell lassen sich zahlreiche Zeitgenossen von der EU-Wasserrahmenrichtlinie und anderen wohlklingenden Verordnungen blenden, die allerdings zu viele Schlupflöcher besitzen.
Die EU-Gremien beschlossen bereits im Jahr 2000 eine Richtlinie für den anzustrebenden Zustand der Gewässer mit dem Zielhorizont 2015, doch einzelne Staaten können sich eine Verlängerung der Umsetzungsfristen genehmigen lassen. Und allen voran tut dies doch tatsächlich auch die Bundesregierung und schiebt die nachhaltige Verbesserung der Gewässerqualität in den Flüssen schon mal auf das Jahr 2027! Da komm‘ ich mir wirklich vor, wie in einer Bananenrepublik – nicht im wirtschaftlich wohlhabenden Deutschland! In 90 % der Flüsse sind die hehren Vorsätze noch nicht Realität geworden, die auf die Durchgängigkeit und das natürliche Vorkommen der entsprechenden Pflanzen und Tiere ebenso abzielen wie auf die Einhaltung der Grenzwerte bei Schadstoffen.
Neue Kleingewässer schaffen
Die Kleingewässer haben im politischen Raum im Übrigen noch weniger Fürsprecher, wenn man von NABU, BUND und WWF oder anderen Naturschutzorganisationen einmal absieht. Die Bundesregierung ist schon richtig stolz darauf, dass es seit 2018 ein Monitoring-Programm gibt. Auch dies klingt gut, doch letztendlich kann es nicht nur darum gehen, vorhandene Tümpel und Bachläufe zu monitoren und zu erhalten, sondern wir müssen alles daransetzen, neue Kleingewässer zu schaffen – möglichst an Orten, an denen sie einstmals einen kostbaren Lebensraum für Tiere und Pflanzen bildeten.
In diesem Sinne setzte sich auch das Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern für den Erhalt von Kleingewässern ein. Die Landesregierung aus CSU und Freien Wählern will nun die Inhalte des Volksbegehrens in Gesetzesform gießen: Ich hoffe, es werden nicht politische ‚Verwässerungsstrategien‘ eingesetzt, denn genau diese brauchen wir nicht, sondern mehr Wasser für Tümpel und Weiher, die Wiedervernässung von Moorflächen und mehr renaturierte Bachläufe. So arbeitet die Heinz Sielmann Stiftung – auf Initiative des Ornithologen Professor Peter Berthold – seit 2004 am Bodensee an einem Biotopverbund, der gerade auch das Anlegen neuer Stillgewässer beinhaltet.
Im Wasser, zu Lande und in der Luft
Nicht nur Amphibien und Libellen freuen sich an solchen Stillgewässern über neuen Lebensraum, sondern auch Vögel und viele Säugetiere können dort ihren Durst stillen. Ist die Fläche des Gewässers und der Uferbereiche größer, dann bietet sich in Schilf und Hecken, in Steinhaufen und Totholz neuer Lebensraum für bedrohte Tierarten. Kleinere Gewässer haben für Frösche und Kröten den Vorteil, dass ihr Laich weniger durch Fische bedroht wird. Molche finden sich in Wassergräben und Tümpeln, aber auch mit Wasser gefüllte Fahrspuren genügen oft für die Entwicklung der Kaulquappen – wenn es nicht am notwendigen Regennachschub fehlt.
Störche und Graureiher erfreuen sich zum Leidwesen der Amphibien natürlich auch am Futterangebot in Tümpeln und Weihern, an Seen und Bachläufen. Gibt es Fisch zum ‚Mittagessen‘, dann taucht natürlich auch der Kormoran auf, der zum Leidwesen der Angler und Fischzüchter keinen Unterschied zwischen natürlichen Gewässern und Fischteichen macht. Und der Kormoran hat gegenüber dem Storch dazuhin den Nachteil, dass er ein schwarzes Federkleid trägt und daher manche Zeitgenossen überaus negativ auf seine Anwesenheit reagieren, selbst wenn sie ihn primär nicht als Nahrungskonkurrenten sehen. Ob weiß oder schwarz, ob am Rand des Weihers oder darin aktiv, all diese Tiere haben ein Lebensrecht in unserer Welt – und wir müssen ihren Lebensraum schützen!
Nicht vergessen dürfen wir die Libellen, die – je nach Art – sowohl an fließenden als auch an stillen Gewässern leben, für ihre Larven aber auf alle Fälle Wasser benötigen. Doch bei entsprechender Gestaltung können sich zahlreiche andere Insekten oder Vögel ebenso ansiedeln. Hecken und Steinriegel bieten Raum für Igel, Feldhasen oder Eidechsen. Die Pflanzenwelt ist gleichfalls artenreich: Schilf, Rohrkolben, Kleine Wasserlinse, Gewöhnlicher Wasserhahnenfuß, oder auch Teich- und Seerosen könnten beispielhaft genannt werden.
Es kommt drauf an, was man draus macht
Zwar bezieht sich dieser Spruch ursprünglich auf Beton, doch auch bei der Gestaltung von Regenwasserrückhaltebecken, Seen in Parks und Teichen in Gärten trifft er ins Schwarze. Auch bei der Anlage solcher ‚Kleingewässer‘ kann viel für die Artenvielfalt getan werden, können neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen in einer verarmten Landschaft entstehen. Dennoch findet man noch immer Seen in öffentlichen Grünanlagen, die mit einer solch niedrigen Wassertiefe angelegt wurden, dass sie in heißen Sommern ohne echten Zufluss umkippen, und manches Regenrückhaltebecken ähnelt eher einem lebensfeindlichen Betonviereck. So mancher Feuerlöschteich beispielsweise ließe sich ökologisch aufwerten, ohne dass der betroffenen Gemeinde gewaltige Kosten entstehen würden.
Wenn wir im Zuge des Klimawandels mit immer heißeren Sommern rechnen müssen, dann sollten wir alles tun, um vorhandene Wasserflächen zu erhalten, und dies gilt natürlich auch für Moore und Vernässungen. Rechnet man die Flächen aller Kleingewässer auf unserem Globus zusammen, dann entsprechen diese „etwa 30 Prozent der Fläche aller stehenden Binnengewässer – eine nicht zu unterschätzende Ressource“, so Anne Winter vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung. In einer Welt, in der die Temperatur steigt und der Kampf um Wasser an Bedrohlichkeit zunimmt, sollten wir die Ressource Kleingewässer mehr wertschätzen.
Gülleflut und Pestizidnebel
Auf die Phase des Zuschüttens und Trockenlegens von Kleingewässern folgten Gülleflut und Pestizidnebel. All dies zusammengenommen führte nicht nur zu einer Verödung der Landschaft, sondern auch zu einer Verarmung von Flora und Fauna. Es ist an der Zeit, auf die Zerstörung mit der Schaffung neuer Kleingewässer zu antworten. Dies setzt aber auch eine Neuausrichtung der EU-Agrarförderung voraus, die auf Ökologie und Nachhaltigkeit setzt, statt auf Flächenprämien und Ausbeutung der Natur. Dies ist im Übrigen keine ‚Bauernschelte‘, sondern ein Aufruf an das Europaparlament, an die EU-Kommission und den Europäischen Rat, den Weg freizumachen für eine Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft, die den Bauern und der Natur und somit uns allen dient.
Selbstredend muss die Gülleflut eingedämmt werden, genauso wie der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden. Gerade Tümpel und Weiher oder Söllen, die während der Eiszeit entstanden, sind durch den Eintrag von Giftstoffen gefährdet, da sie häufig über keinen nennenswerten bzw. regelmäßigen Zufluss verfügen. Der Abstand zwischen der bearbeiteten Feldflur und den Kleingewässern muss deutlich über die heutigen Mindestabstände hinaus erweitert werden, um den Schadstoffeintrag zu vermindern. Die Schaffung neuer Kleingewässer muss deutlich stärker gefördert werden als bisher.
Wasser wird immer kostbarer
Bei Starkregenereignissen können Kleingewässer Überschwemmungen entgegenwirken, wenn sie zusätzliches Wasser aufnehmen können. Dies gilt natürlich in besonderem Maße auch für Moore oder Auwälder oder Altarme von Flüssen. In Hitzeperioden werden die Tümpel und Weiher, die renaturierten Bachläufe und Seen zu wichtigen Wasserspeichern für Tier und Mensch. Die Politik muss endlich in der Breite erkennen, dass die Auswirkungen des Klimawandels nicht wegdiskutiert werden können: Es kommt darauf an, jede Chance zu nutzen, um mit der Natur die Probleme abzumildern. Und da gehört der Regenwurm ebenso dazu, der es dem Boden erlaubt, mehr Wasser aufzunehmen, wie Kleingewässer und Moorflächen. Und selbst der von manchen Landwirten gescholtene Biber kann mit seinen Deichbauten einen Beitrag zu einem ausgeglichenen Wasserkreislauf leisten.
Dass Wasser zu einem raren Gut werden kann, mussten viele Europäer durch den trockenen Sommer 2018 lernen, und wenn in diesem Jahr ebenfalls Regen zur Mangelware wird, dann werden die Folgen noch drastischer ausfallen, da der Nachholbedarf in manchen Regionen bis heute nicht ausgeglichen wurde. Kleingewässer sind mit einer entsprechenden Umgebung aus Hecken und Büschen oder Bäumen, mit Steinriegeln und Totholz auch Trittsteine für einen Biotopverbund, der Tieren das Wandern in einer ansonsten eher für sie lebensfeindlichen Umwelt erlaubt.
Über die großen Probleme der Erderwärmung durch CO2 oder die Frage einer ökologischeren Energieversorgung dürfen wir die anderen ökologischen Herausforderungen nicht vernachlässigen, die vom bedrohten Regenwurm – als wichtigem Mitarbeiter der Landwirtschaft – über die Kleingewässer – als Naturoase – bis zu den verbliebenen Mooren – als lebenswichtige CO2- und Wasserspeicher – reichen. Viele noch so kleine Schritte sind wichtig, um die Bedürfnisse des Menschen wieder in Einklang zu bringen mit dem Erhalt der Natur.
17 Antworten auf „Als Tümpel und Weiher verschwanden“