Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht
Der Einmarsch der türkischen Truppen ins benachbarte Syrien wurde durch Donald Trump ermöglicht, der die US-Truppen aus dem von Kurden beherrschten Gebiet abzog. Recep Tayyip Erdoğan ließ mal wieder die Panzer in kurdische Regionen rollen, um seine Macht zu demonstrieren. Die Nutznießer freuten sich: Wladimir Putin hat den russischen Einfluss ausgebaut, der syrische Machthaber Baschar al-Assad bringt Syrien weitgehend unter seine Fuchtel, der Islamische Staat bekommt die Chance zum Gegenschlag und der Westen schaut zu. Als bereits russische Soldaten in den von den kurdischen YPG-Kämpfern geräumten Bereichen patrouillieren, da kommt die CDU-Chefin und deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer aus der Deckung und macht sich für eine Schutzzone stark. Im Grunde genau das Richtige, aber weder abgesprochen mit dem SPD-Außenminister Heiko Maas, noch mit den europäischen NATO-Partnern. Ist dies das nächste Fettnäpfchen, in das Annegret Kramp-Karrenbauer energisch, aber unbedacht hineintritt?

Aus dem Saarland in die Weltpolitik
Kramp-Karrenbauer betonte zwar im Ringen um den CDU-Vorsitz, sie habe – im Gegensatz zu Friedrich Merz – Regierungserfahrung. Jetzt zeigt sich allerdings, dass man als frühere Ministerpräsidentin eines Bundeslandes mit knapp einer Million Einwohnern nicht unbedingt im Konzert der politischen Weltmächte mitspielen kann. Letztendlich ist es leider so, dass wir Deutschen weder in Syrien noch im Irak oder im ganzen Nahen Osten wirklich noch politischen Einfluss haben. Da nutzt es auch nichts, wenn der deutsche Außenminister Heiko Maas die türkische Regierung zum Stopp der Militärintervention auffordert und nach Ankara pilgert. Wer erst auf der Bildfläche auftaucht, wenn die Hütte brennt, der kommt zu spät. Die wirre Politik eines Donald Trump und das machtbewusste Agieren von Erdogan und Putin lassen dazuhin wenig Spielraum für ein Land wie unseres: Wir möchten gerne international mitspielen, doch uns fehlen dazu der politische Wille und letztendlich auch die militärischen Ressourcen. Für die jetzigen Auslandseinsätze werden die letzten Materialdepots ‚geplündert‘, denn viel zu wenige Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe sind überhaupt einsatzfähig.

Manchmal frage ich mich schon, wer auf die Idee kommen konnte, mit AKK würde die CDU zu alter Stärke aufsteigen können? Der CDU-Bundesparteitag wählte sie als Vertreterin eines ‚Weiter-so‘, denn es fehlte der Mut zu einem Neuanfang, um den langsamen Abstieg zu stoppen. Die Annegret aus dem Saarland sollte auf die Angela aus Mecklenburg-Vorpommern folgen, doch lassen sich so wieder Mehrheiten mobilisieren? Wohl kaum. Schon gar nicht, wenn Kramp-Karrenbauer mehr Wähler verschreckt als sie gewinnen kann. Wer, wie AKK in der Fasnet, über intergeschlechtliche Bürger herzieht – „Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen“ -, der ist im falschen Zug in die Zukunft unterwegs. Aber dem Fass schlug Kramp-Karrenbauer den Boden aus, als sie mit Beschränkungen für Internet-Äußerungen in Wahlkampfzeiten liebäugelte, kaum dass der leicht infantile YouTuber Rezo sein „Zerstörungsvideo“ in die digitale Welt pustete. Alsbald nahm AKK ihre Äußerungen dann wieder halbherzig zurück, doch das schadet mehr als es nutzt.

Würdeloses Verhalten des Westens
Wer nun aber so tut, als würde die Welt auf eine Schutzzone im syrisch-türkischen Grenzgebiet warten, an der deutsche Soldaten Posten beziehen, der hat entweder von der weltpolitischen Gemengelage keine Ahnung oder lebt in einer Traumwelt. Ausdrücklich möchte ich betonen, dass ich mir gewünscht hätte, der Westen – und so auch Deutschland – würden endlich mal zu den Kurden stehen, die für uns den Islamischen Staat im Irak und in Syrien niedergerungen haben. Aber wieder einmal lassen wir die Verbündeten des freien Westens im Regen stehen. Den Kurden nutzen Phantasiegebilde von AKK nichts. Fast hätte ich gesagt, da wären ihnen einige AKKs zum Kampf gegen die türkischen und russischen Kolonialmächte lieber, die Kalaschnikows kämen allerdings von Putin – und das passt im Moment weniger. Unser politischer Schlingerkurs hat ausgerechnet die Kurden gezwungen, sich wieder mit Assads Regime zu verbünden, um den türkischen Angriffskrieg zu parieren! Noch perverser geht es kaum! Und die Schuld liegt beim Westen. Zu den Abstrusitäten gehört es, dass Trump dann auch noch Panzer zum Schutz der syrischen Ölquellen einsetzt, obwohl er gerade die Kurden im Stich gelassen hatte und zum Rückzug blies. Ehrlos! Ganz einfach ohne jedes Ehrgefühl. Menschen zählen mal wieder weniger als das Öl!
Ein Berliner Kollege hat mir auf meine Kritik an Angela Merkel vor einiger Zeit gesagt, vielleicht würde ich der Bundeskanzlerin eines Tages noch nachtrauern. Sollte sich Merkel daher für Kramp-Karrenbauer stark gemacht haben, damit ihr eigenes Sternlein noch etwas heller leuchtet? Wir wollen es mal nicht hoffen, aber ich kann mir nach der bisherigen Performance Annegret Kramp-Karrenbauer nicht als Kanzlerin in Deutschland vorstellen. Ich finde es auch würdelos, wenn wir den Kurden vorgaukeln, wir würden ihnen zumindest durch eine Schutzzone helfen, obwohl dies in der jetzigen Gemengelage nicht durchsetzbar ist. Wer den NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gehört hat, der weiß auch, was dieser und so mancher Verbündeter von AKKs Vorstoß hält: Nichts! Durch das nicht abgesprochene Vorpreschen der Verteidigungsministerin sind die Chancen eher gesunken, dass der freiheitliche Teil der NATO seinen Einfluss zurückgewinnen kann. Die von AKK hervorgehobenen Erfahrungen aus dem Saarland reichen eben doch nicht für die Lösung internationaler Konflikte!

Ist die NATO noch ein Bündnis des Friedens?
Wir hätten früher Erdogan & Co. verdeutlichen müssen, dass wir uns nicht mit der Drohung erpressen lassen, die Tore zu öffnen und Millionen Flüchtlinge nach Europa zu schicken. Wer sich mit Autokraten ins Bett legt, der wacht in einem Alptraum auf! Zu lange haben wir uns die Watschen abgeholt, doch dies hat in der Weltgeschichte noch nie zu Frieden und Freiheit geführt. Weit deutlicher sollte man Präsident Erdogan auch an den Auftrag der NATO erinnern: „Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten. Sie sind bestrebt, die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlantischen Gebiet zu fördern. Sie sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen. Sie vereinbaren daher diesen Nordatlantikvertrag“. Dazu passen völkerrechtswidrige Attacken auf ein Nachbarland ganz gewiss nicht!
Und im ersten Paragraphen des Nordatlantikvertrags heißt es weiter: „Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, daß der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“ Von einer friedlichen Beilegung von Streitfällen hält der türkische Präsident Erdogan wenig, ansonsten würde er nicht die mühsam von den Kurden aufgebaute Selbstverwaltung zerstören.

Zielsicher trifft Kramp-Karrenbauer jeden Fettnapf
Gerne oder auch ungern muss ich zugeben, dass ein demokratisches Staatswesen wie die Bundesrepublik Deutschland sich schwertut im Umgang mit autokratischen Führern wie Erdogan, doch entschuldigt dies die naive Vorgehensweise von Annegret Kramp-Karrenbauer in keiner Weise. Ganz am Rande würde ich mir aber auch eine deutliche Verurteilung des von Erdogan befohlenen Angriffskriegs aus der türkischen Gemeinde in Deutschland wünschen. Bisher jedoch hat Erdogan bei allen Wahlen unter seinen Landsleuten, die in deutschen Landen leben, mehr Unterstützer als in Ankara, Izmir oder Istanbul. Dies ist für mich äußerst bedauerlich. Ich hoffe sehr, dass sich der türkisch-kurdische Konflikt nicht in unserem Land entlädt. Wir sollten andererseits keinesfalls mit der Türkei brechen, denn der Zuspruch für Erdogan schwindet, und wir sollten die demokratischen Kräfte in der Türkei stärken und auf die Nach-Erdogan-Ära setzen.
Der Vorstoß von Annegret Kramp-Karrenbauer, den sie als CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin vortrug, mag gut gemeint gewesen sein, aber gut gemeint ist zu häufig in dieser Bundesregierung leider schlecht gemacht! Jeder von uns trifft mal einen Fettnapf, aber man sollte im politischen Leben auch etwas daraus lernen.