Die CDU hat den Neuanfang verstolpert
Bei Annegret Kramp-Karrenbauer hatte nicht nur ich von Anfang an den Eindruck, dass sie als Parteivorsitzende der CDU völlig überfordert war. Im Wettstreit um das höchste Parteiamt hatte sie zwar gegenüber Friedrich Merz ihre Regierungserfahrung ins Feld geführt. Dabei sollte man nicht vergessen, dass das Saarland, wo sie als Ministerpräsidentin wirkte, gerade mal eine knappe Million Einwohner zählt. Wer als Strippenzieherin an der Saar erfolgreich war, der ist nicht per se in der Lage, eine von Krisen geschüttelte ‚Volkspartei‘ wieder auf Kurs zu bringen. Sowohl innen- wie außenpolitisch fehlte es Kramp-Karrenbauer augenscheinlich an Augenmaß, wie ihr dilettantischer Vorstoß für eine an sich wünschenswerte Schutzzone für die Kurden in Syrien oder der Ruf nach einer allgemeinen Dienstpflicht bewiesen. Und nicht nur nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten wurde klar, dass sie die auseinanderdriftenden Kräfte in der CDU nicht zusammenhalten konnte.
Politisch unbedarft
Als Angela Merkel ihr Amt als CDU-Vorsitzende abgab, setzte die Mehrheit der Delegierten auf Annegret Kramp-Karrenbauer und damit eher auf ein Weiter-so. Das ist menschlich verständlich, denn Veränderungen führen immer zum Machtverlust bei einzelnen Personen und Gruppen, aber mittelfristig kann der Erhalt des Status quo politisch tödlich sein. Die nachfolgenden Wahlen haben dies bewiesen: Ohne Aufbruchstimmung folgten weitere Wahlniederlagen für die Christdemokraten – nun zur Abwechslung unter Annegret Kramp-Karrenbauer. AKK – wie sie gerne genannt wird – hat aber auch kein Fettnäpfchen ausgelassen, sondern diese gerne noch selbst aufgestellt! Wenn man ausgerechnet im Putzfrauenkostüm in der Fasnacht auftritt und sich dabei nicht nur über das ‚dritte Geschlecht‘ lustig macht, sondern sich selbst in der 3. Person während der eigenen ‚Büttenrede‘ erwähnt, dann lässt dies tief blicken.
Wie Kramp-Karrenbauer auf die Idee kommen konnte, mit einer Dienstpflicht für jedermann und jederfrau politisch Boden gutmachen zu können, ist mir ein absolutes Rätsel. Zwar war ich selbst als Helfer ein Jahrzehnt lang im Technischen Hilfswerk (THW) aktiv, aber nach der Abschaffung der Wehr- und Ersatzdienstpflicht unter Angela Merkel jetzt wieder in die Vergangenheit fahren zu wollen, das grenzt schon an Selbstzerstörung. Diesen Weg wollte nicht mal die Schwesterpartei CSU mitgehen, die völlig zurecht auf die Stärkung der Freiwilligendienste setzt. Richtig und gut gemeint war der Vorstoß, in Syrien eine Schutzzone für die Kurden einzurichten, um sie vor den Attacken des türkischen Militärs zu schützen. Leider setzte Kramp-Karrenbauer auch diese Initiative in den Sand. Ohne Absprache mit den wichtigsten westlichen Partnern in der NATO und ohne Information des Kabinettskollegen Heiko Maas preschte Kramp-Karrenbauer vor und holte sich einige Watschen ab. Nun gehört Außenminister Heiko Maas für mich zu den deutlichen Fehlbesetzungen im Bundeskabinett, aber man kann zu ihm stehen wie man will, einen außenpolitischen Vorschlag sollte man doch mit dem zuständigen Minister vorab besprechen.
Soziale Medien vernachlässigt
Kaum machte sich der blauhaarige YouTuber Rezo in einem Laber-Video über die CDU her, da philosophierte die CDU-Vorsitzende in skurriler Weise über Beschränkungen für die freie Meinungsäußerung in den sozialen Medien. Eine solche Hilflosigkeit in Sachen sozialer Medien hätte ich der CDU ehrlich gesagt nicht zugetraut. Eine inhaltliche Auseinandersetzung fiel ins Wasser, denn die CDU-‚Geheimwaffe‘ Philipp Amthor zündete nicht. Das mit ihm produzierte Antwort-Video versenkten die CDU-Granden im Keller des Konrad-Adenauer-Hauses. Wenig Freunde machte sich die CDU unter Kramp-Karrenbauer auch mit der Unterstützung der Datenschutz-Grundverordnung und des veränderten Urheberrechts, denn beide EU-Verordnungen schaffen im Grunde nicht mehr Datensicherheit, sondern bringen Belastungen für kleine Unternehmen, Vereine, Blogger usw. Die CDU hat es bis heute nicht verstanden, sich konsequent und offen in die sozialen Medien – von Facebook über Twitter bis zu Instagram und YouTube – einzubringen. Verlautbarungen einer Partei mag eben kaum noch einer lesen.
Manchmal gewinne ich den Eindruck, dass die CDU mit ihren älterwerdenden Mitgliedern und Wählern in die Zukunft schleicht, ohne für Zuspruch unter den jüngeren Bürgern zu sorgen. So kam die Zustimmung für die bereits erwähnte Dienstpflicht von den Älteren, die nicht mehr betroffen wären, und die jüngeren Mitbürger wurden kaum in die Diskussion einbezogen. Offene Debatten sind zwar auch Angela Merkel ein Gräuel. Immerhin aber kam sie mit diesem Politikstil noch bis zur vierten Legislaturperiode. Doch von neuem Personal erwartet die Öffentlichkeit die Bereitschaft zum offeneren Diskurs.
Wie hält es die CDU mit AfD und Linke?
Die politische Zerreißprobe in der CDU wird nicht erst seit dem Thüringen-Debakel spürbar. Aus Schleswig-Holstein verkündet Daniel Günther beständig, die CDU solle sich für eine Kooperation mit der Linken öffnen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wo dann noch der Markenkern der CDU wäre. Wer die eigene Partei dazu auffordert, mit der Linken zu paktieren, der wirft den Gedanken der sozialen Marktwirtschaft vollends über Bord. Viel ist von diesem Grundwert der CDU unter Angela Merkel ohnehin nicht mehr übriggeblieben. Ganz zu vergessen scheinen die Befürworter eines Zusammenwirkens mit der Linken, dass sich diese Partei in der Nachfolge der SED bis heute nicht vom DDR-Unrechtsstaat distanziert hat, was auch für Bodo Ramelow gilt. Die Thüringer CDU unter Mike Mohring wählte gemeinsam mit der FDP und der AfD Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten, obwohl gerade Kramp-Karrenbauer und der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dies ausdrücklich abgelehnt hatten. Der Aufschrei war laut – wie zu erwarten -, und das letzte bisschen Autorität von Kramp-Karrenbauer war im politischen Hexenkessel dahingeschmolzen.
Auffällig war die Zurückhaltung der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, allen voran Armin Laschet. Niemand sprang Annegret Kramp-Karrenbauer bei. Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spielt längst mit gezinkten Karten und freut sich vermutlich, wenn Kramp-Karrenbauer oder andere Mitbewerber über Bord gehen: letztendlich sieht er sich selbst als den besseren Kanzlerkandidaten. So stand die CDU-Vorsitzende ziemlich alleine da, denn ihr fehlt auch die Macht der Bundeskanzlerin, Wohltaten zu verteilen oder Widersacher kaltzustellen. Annegret Kramp-Karrenbauer sollte die Thüringer CDU einbinden, auf Linie bringen, doch sie scheiterte – auch weil ihr Druckmittel fehlen. Bundeskanzlerin Merkel warf kurzerhand den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte, aus dem Amt, da dieser Kemmerich zur Wahl gratuliert hatte. Natürlich verstärkte sich so das Widerspruchspotential der Thüringer CDU, denn Hirte gehört ihr an. Sowohl in Thüringen als auch in anderen CDU-Landesverbänden in den neuen Bundesländern sieht man die AfD wachsen und wachsen, sogar die CDU überflügeln, und man fragt sich dort, ob die strikte Abgrenzung alleine weiterhilft? Der Kampf um die Wähler, die einst auf dem Wahlzettel die CDU ankreuzten, wurde allzu lange kraftlos geführt. Man erinnere sich nur an die CDU-Erfolge nach der Wende in Thüringen unter dem unangefochtenen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel oder in Sachsen unter Kurt Biedenkopf. Es müssen nicht nur ‚abgedriftete‘ Wähler, sondern ganze Bevölkerungsschichten wieder neu für den Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft, für unsere freiheitliche Gesellschaftsform, und für die Werte unseres Gemeinwesens begeistert werden. Mit Taktieren oder dem verängstigten Blick nach rechts oder links lässt sich kein Mensch für eine zukunftsweisende Politik gewinnen – es warten so viele Politikfelder darauf, beackert zu werden – und unsere politischen Parteien ergehen sich in kleinlichem Hick-hack.
Abgewanderte Wähler zurückholen
Im Grunde wünsche ich mir ein Wiedererstarken der Volksparteien CDU und SPD, die viel für unser Land geleistet haben: Aber zuerst verstolpert die SPD mit Andrea Nahles einen Neustart, dann die CDU mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Und wenn ich mir anschaue, dass jetzt Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans die älteste Partei Deutschlands führen, dann kann ich nur hoffen, dass die CDU in Personalfragen doch noch ein besseres Händchen hat. Gescheitert ist nicht nur Kramp-Karrenbauer, sondern auch Angela Merkel, die diese zu ihrer Nachfolgerin aufbauen wollte, ohne von der Macht im Kanzleramt zu lassen. Nicht nur in der CDU, sondern auch in Deutschland hat Angela Merkel viele offene Baustellen nicht beseitigt, sondern mit undurchsichtigen Kompromissen nur politische Untiefen umschifft. Es wäre somit ungerecht, die ungelösten Probleme in der CDU nun nur Annegret Kramp-Karrenbauer anzulasten. Das ewige Schönreden durch Angela Merkel hat weder ihrer eigenen Partei noch unserem Land genutzt.
Es wird sich noch zeigen, ob Annegret Kramp-Karrenbauer – wie sie selbst betonte – bis zum Jahresende als CDU-Vorsitzende durchhält, denn die Wahl in Hamburg naht und die Abgrenzung gegenüber AfD und Linke ist weiter strittig. Dabei reicht der fleißige Bau von „Brandmauern“ gegen extreme Parteien nicht aus, um die abgewanderten WählerInnen wieder ins eigene Partei-Boot zu holen. Gerade darum muss es aber gehen, und dies gilt für die CDU genauso wie für die SPD. Eine Neuorientierung tut Not, wenn sich die CDU aus dem Strom befreien will, der sie immer näher an den Abgrund führt. Grundlage für eine solche Neuausrichtung muss jedoch auch eine Rückbesinnung auf die Grundwerte der Partei sein, wenn sich diese noch irgendwo finden lassen.
Kramp-Karrenbauer: Von Altlasten erdrückt
„Wenn eine Wahl nach der anderen mit einer Klatsche endet, dann ist es höchste Zeit, personell und inhaltlich neue Impulse zu bringen. Wichtig ist es dabei, dass über zukunftsorientierte Themen diskutiert wird, und an diesen müssen die Bewerber für den CDU-Vorsitz gemessen werden“, das habe ich zum Start von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende geschrieben. Und dies gilt auch für die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger, der oder die jetzt die Autorität aufbauen muss, um als Kanzlerkandidat zu starten. Es geht nicht nur um Personen, sondern gerade auch um Inhalte!
Kramp-Karrenbauer hatte sich mit dem Amt der CDU-Vorsitzenden ebenso übernommen wie mit der Absicht, Kanzlerkandidatin zu werden. Bereits beim letzten Parteitag stellte sie die Vertrauensfrage, und damit war dieser Joker jetzt verspielt. So richtig vorstellen kann ich mir nicht, dass sie bis zum Ende der Legislaturperiode Verteidigungsministerin bleibt, denn in diesem Amt redet sie gerne über weitere Auslandseinsätze, obwohl dafür die materielle und personelle Ausstattung der Bundeswehr zu fehlen scheint. Auch hier gilt, dass Annegret Kramp-Karrenbauer von ihrer Vorgängerin – hier: Ursula von der Leyen – ein im Grunde sanierungsbedürftiges Haus übernommen hat. Die Altlasten ihrer Vorgängerinnen drücken Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin zu Boden.
4 Antworten auf „AKK: Überforderte CDU-Parteivorsitzende wirft das Handtuch“