Agrarbereich muss naturnäher arbeiten

Ökologie und Nachhaltigkeit als Basis für die Landwirtschaft

Als 2020 viele Bauern den Agrarpolitikern mit ihren Traktoren auf die Pelle rückten und grüne Kreuze aufstellten, berief die Bundesregierung eine ‚Zukunftskommission Landwirtschaft‘, die im Juli 2021 ihren Bericht vorlegte. Irgendwie erinnert mich das an den alten Spruch: ‚Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man ‘nen Arbeitskreis‘. Wie zu erwarten sind die Erkenntnisse der Zukunftskommission alles andere als neu! Die Aufforderung zu einer Neuorientierung der EU-Agrarförderung und des gesamten landwirtschaftlichen Sektors – unter Beteiligung von Vertretern der Landwirtschaft – ist nun wirklich nicht mehr zu überhören, und die verursachten Schäden an der Natur und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Kosten sind nicht mehr zu übersehen und werden immer bedrohlicher: „Angesichts dieser Größenordnung scheidet eine unveränderte Fortführung des heutigen Agrar- und Ernährungssystems nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen von vornherein aus, wenn die Interessen zukünftiger Generationen berücksichtigt werden, die andernfalls viele dieser Kosten tragen müssten.“ Es stellt sich nach dem Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft jedoch die Frage – genauso wie nach jeder Studie zum Insektenschwund oder Vogelsterben – ob die politischen Entscheidungsträger in Deutschland und der EU auch gewillt sind, das Ruder herumzuwerfen? Wir haben bei den Folgen einer immer intensiveren Landwirtschaft und Fehlentwicklungen im Forstbereich schon lange kein Wissensdefizit, sondern es fehlt am sach- und zukunftsorientierten Handeln der Politik.

Zwei große grüne Mahdrescher, davor ein weißes Auto. Dieses erscheint geradezu als Zwerg.
Die Maschinen werden immer größer und schwerer – und natürlich nicht nur in Deutschland, wie dieses Foto aus der französischen Bretagne zeigt. Die Verdichtung des Bodens nimmt zu, was gerade auch bei Starkregen zu Problemen führt. Und riesige Flächen können in kürzester Zeit abgeerntet oder gemäht werden, ohne Rücksicht auf die Tierwelt. (Bild: Ulsamer)

Ständige Intensivierung ist ein Irrweg

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) redet noch heute einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft das Wort, obwohl die dramatischen Auswirkungen jeder Wanderer oder Autofahrer unschwer erkennen kann: Vielerorts summen kaum noch Wildbienen, und bei längeren Autofahrten kleben zunehmend weniger Insekten an der Windschutzscheibe. So richtig aufzufallen scheint dies allerdings weder Julia Klöckner, der Ex-Weinkönigin, die für Ernährung und Landwirtschaft im Bundeskabinett zuständig ist, noch dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, Joachim Ruckwied. Vielleicht haben beide keine Zeit zum Wandern oder für einen ruhigen Blick auf die Reste der Natur, denn sicherlich eilen sie mit Fahrer von Termin zu Termin. Dabei fällt das Verstummen der Vogelstimmen natürlich nicht auf. Insofern sollte der Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft auch für die Ewiggestrigen Anlass zum Nachdenken bieten. „Produktions- und Produktivitätssteigerungen“ in der Landwirtschaft tragen – so die Zukunftskommission – zu unserem Lebensstandard bei, doch gleichzeitig ist ein Kostendruck entstanden, „unter dem immer mehr Familien für ihre Höfe keine Perspektive sehen“. Und damit ist auch die Landwirtschaft immer naturferner unterwegs: „Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Landwirtschaft immer weniger in der Lage ist, in ökologisch verträglichen Stoffkreisläufen innerhalb der Belastungsgrenzen der natürlichen Ressourcen zu wirtschaften.“ Angesichts einer solchen Einsicht ist es abwegig, wenn Julia Klöckner & Konsorten auf eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft setzen, um Äckern und Grünland noch mehr Erträge abzupressen und Rinder, Schweine und Hühner in immer gewaltigere Stallanlagen zu quetschen, um absurde Billigangebote in Supermärkten zu ermöglichen.

Mit einem kleineren Traktor wird Heu in viereckige Pakete gepresst.
Heuernte geht auch so: Die Agrarflächen müssen wieder kleinteiliger werden, wenn wir Raum für Vögel und Insekten, Feldhasen und Igel lassen wollen. Flurbereinigungen haben dazu beigetragen, dass Trockensteinmauern, Hecken, Feldgehölze, Tümpel und Vernässungen verschwunden sind. (Bild: Ulsamer)

Die fehlgeleiteten EU-Agrarsubventionen tragen nicht nur zum Raubbau an der Natur bei, sondern haben auch viele landwirtschaftliche Familienbetriebe ruiniert. Immer häufiger machen sich – gerade in Zeiten der Nullzinspolitik – branchenfremde Investoren im Agrarbereich breit, die kleineren Höfen das Leben schwer machen. Viel zu lange schon profitieren solche Großagrarier von den flächenbezogenen Subventionen, die die EU über die Betriebe ausgießt, ohne eine direkte Bindung an ökologische oder nachhaltige Bewirtschaftung zu verlangen. Seit Jahren sieht der EU-Rechnungshof hier Änderungsbedarf, doch die Mehrheit in EU-Kommission, im Parlament und bei den Mitgliedsstaaten beließ es bei Reförmchen statt einer Agrarrevolution. Der Europäische Rechnungshof formulierte bereits deutliche Kritik in seinem „Sonderbericht Nr. 21/2017: Die Ökologisierung: eine komplexere Regelung zur Einkommenssicherung, die noch nicht ökologisch wirksam ist“. Und weiter: „Durch die Landwirtschaft ergeben sich, insbesondere wenn sie intensiv betrieben wird, negative Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima“. Die EU-Kommission hat sich mit diesen Fragen zwar befasst, doch unzureichende Schlüsse gezogen. So stellte der Europäische Rechnungshof fest, „dass die Kommission keine vollständige Interventionslogik für die Ökologisierung entwickelt hat. Sie hat auch keine klaren, ausreichend ehrgeizigen Umweltziele festgelegt, die durch die Ökologisierung erreicht werden sollten. Ferner wird die Mittelzuweisung für die Ökologisierung nicht durch die ökologischen Inhalte der Politik gerechtfertigt. Die Ökologisierungszahlung bleibt im Grunde eine Regelung zur Einkommensstützung.“ Und so ist es trotz leichter Veränderungen bei den Agrarsubventionen noch heute. Bisher ist das ‚Greening‘ bei den EU-Agrarsubventionen nur ein grünes Deckmäntelchen!

Heufalter auf einer Brombeerblüte.
Aus der Agrarlandschaft sind Trockensteinmauern und Brombeerhecken weitgehend verschwunden, daher fehlt es nicht nur Insekten an Lebensraum. (Bild: Ulsamer)

Flächensubventionen zerstören Artenvielfalt

Seit Jahren werden Milliarden und Abermilliarden Euro an landwirtschaftliche Betriebe ausgeschüttet, ohne klare Bezüge zur ökologischen oder zur sozialen Verantwortung der Bezieher der Zahlungen herzustellen. Es geht hier nicht um eine Schelte für Landwirte, ganz im Gegenteil: Eine aberwitzige Politik hat sie zu Subventionsempfängern degradiert, ohne ihnen echte wirtschaftliche Perspektiven zu bieten. Schweine oder Rinder werden in immer größeren Ställen ohne Rücksicht auf das Tierwohl gehalten, und die Gülle überflutet Äcker und Wiesen: Im Grundwasser wird daraus Nitrat und an der Oberfläche stirbt die Artenvielfalt! Viele Bauern haben sich von einer immer intensiveren Bearbeitung der Böden und Ausbeutung der Tiere längst verabschiedet, doch Julia Klöckner verhöhnt sie dafür als ‚Bullerbü‘-Landwirte, weil sie bis heute nicht begriffen hat, dass dies kein Schimpfwort ist, sondern eine Auszeichnung: Wer einer Intensivierungsideologie huldigt, damit wir noch mehr Fleisch oder Milchprodukte exportieren können, hat die bedrohliche Lage in unserer Natur nicht begriffen. Und zahllose familiengeführte Betriebe sind genau diesem Intensivierungswahn führender Politiker zum Opfer gefallen, was die besondere Perversion der deutschen und der EU-Agrarpolitik augenscheinlich macht: Es sterben nicht nur Schmetterlinge, Wildbienen und Vögel, sondern auch die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe.

Eine kleinere Wasserfläche umgeben von einigen Bäumen.
Tümpel und mäandrierende Bäche sind aus unserer Agrarlandschaft weitgehend verschwunden, doch die verbliebenen naturnahen Gewässer müssen unbedingt geschützt werden. Tümpel, Weiher und Seen helfen bei Dürre und gegen Hochwasser. (Bild: Ulsamer)

Ganz folgerichtig heißt es im Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL): „Die ZKL ist sich einig darüber, dass die bisherigen flächengebundenen Direktzahlungen den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht werden und deshalb neu ausgerichtet werden sollen.“ Wirklich originell ist diese Forderung nicht, richtig ist sie dennoch. Viel zu lange haben sich die vier Bundesregierungen unter Angela Merkel und die EU-Kommissionen – geführt von Jean-Claude Juncker und Ursula von der Leyen – an Flächensubventionen geklammert, die keine ökologische oder soziale Begründung haben. Zahllose Betriebe leben heute im Grunde von Subventionen und nicht von den Erzeugnissen, die sie geschaffen haben. Die Einsicht kommt spät, für viele Tier- und Pflanzenarten vermutlich zu spät: „Der landwirtschaftlich verursachte Biodiversitätsverlust ist erheblich und er darf sich nicht in der bisherigen Weise fortsetzen.“

Bräunliche Schweine mit dunkleren Flecken auf der Weide.
So sollten Schweine leben dürfen! Doch inzwischen werden Schweine in immer gewaltigeren Ställen gehalten, wo für ein 100 kg schweres Schwein nach EU-Vorgaben gerade mal ein Quadratmeter zur Verfügung stehen muss. (Bild: Ulsamer)

Weniger Tiere mit mehr Freiraum

Die Perversion der Massentierhaltung ist ein zum Himmel schreiendes Unrecht! Sauen werden noch immer in Kastenständen gehalten, 26 Hühner mit je 1,5 kg Mastgewicht dürfen nach EU-Recht auf einem Quadratmeter zusammengepfercht werden, darauf muss alternativ auch ein Schwein mit bis zu 100 kg sein Dasein fristen. Ein Armutszeugnis für Julia Klöckner und die Bundesregierung oder die EU-Kommission ist es, dass nicht die Politik die Zügel in die Hand genommen hat, um solch erschreckende Haltungsbedingungen zu verändern, sondern Handelsketten wie Aldi oder Lidl! Sie haben den Zug der Zeit erkannt und wollen in ihren Kühltheken nur noch Fleisch anbieten, das aus besseren Haltungskategorien stammt. Für das Tierwohl, wenn man bei Nutztieren überhaupt noch davon sprechen kann, reichen diese Veränderungen noch längst nicht aus. Etwas mehr Platz im Stall und frische Luft verändern das Grundproblem noch lange nicht. Hatte ein bäuerlicher Betrieb 1950 im Schnitt fünf Schweine, so sind es heute pro Mäster oder Züchter rd. 1175. Und nicht wenige international tätige Schweine- und Rinderhalter bringen es gleich auf Zehntausende von Tieren. Der Gigantismus in der Tierhaltung muss gestoppt werden! Als im Frühjahr 2021 in Alt Tellin eine Schweinezuchtanlage abbrannte, starben in den Flammen 55 000 Muttersauen und Ferkel. Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern gibt es entsprechende Massenställe und wer solche Anlagen genehmigt, der vergeht sich am Tierwohl! Ganz nebenbei relativiert sich so auch das Gejammer mancher Tierhalter, die Wolfrisse würden sie wirtschaftlich in ihrer Existenz gefährden. 2 000 bis 3 000 ‚Nutztiere‘ werden pro Jahr von Wölfen in unserem Land gerissen, und es erhebt sich ein lautstarkes Lamento: da werden Mahnfeuer entzündet und Abschüsse gefordert, doch wenn zehntausende von Tieren in großflächigen Ställen verbrennen, wird dies in der Politik leider zu schnell vergessen – und leider in den Medien und in der Bürgerschaft gleichermaßen.

Hühner und einige Puten in einem Freigelände - umgeben von einem hohen Zaun. Sie haben ein Hühnermobil für die Nacht.
Hühnerhaltung ohne Freilauf müsste längst verboten werden. (Bild: Ulsamer)

Schweine und Rinder gehören wieder auf die Weide, und Hühner in Freilandhaltung. Sollten wir endlich einen solchen Weg beschreiten, reduzieren sich auch ganz zwangsläufig die viel zu hohen Bestände an ‚Nutztieren‘ und die Belastung für die Umwelt. Die Zukunftskommission fordert die „Schaffung stabiler Agrarökosysteme … In diesem Zusammenhang gibt die ZKL des Weiteren Empfehlungen für eine Reduzierung des Konsums von tierischen Produkten, einer Verbesserung des Tierwohls und eine umweltverträglichere räumliche Verteilung der Tierhaltung, die aller Voraussicht nach mit einer weiteren Verringerung der Tierbestandszahlen einhergehen werden.“ Fleisch darf nicht als Billigartikel verramscht werden, um die Kundinnen und Kunden in die Läden zu locken! Wenn schon Fleisch gegessen wird, dann vielleicht dem alten Grundsatz des ‚Sonntagsbratens‘ folgend: Nirgendwo steht geschrieben, dass es jeden Tag Schnitzel, Steak oder Bockwurst geben muss! Fleisch wird sicherlich teurer, wenn es nicht aus enger Massentierhaltung stammt, sondern von Rindern und Schweinen, die auf die Weide gehen, doch wir sollten uns von all den politischen Rechenkünstlern und Lobbyisten auch keine abschreckende Preisexplosion vorgaukeln lassen, denn selbstredend werden dann alle Agrarsubventionen wegfallen müssen, die sich nur an der Fläche orientieren. Und Förderungen für jeden Laufstall mit beliebiger Größe kann es auch nicht mehr geben, wenn uns das Tierwohl am Herzen liegt.

Ein Wiesenpieper auf einem Betonpfahl. Der Vogel ist hellbraun am Unterkörper und dunkler bei den Rückenfedern. Er hat ein kleines Tier im Schnabel.
Wiesenpieper werden immer seltener, doch dies ist nicht verwunderlich, denn die immer intensivere Landwirtschaft hat ihren Lebensraum zerstört. (Bild: Ulsamer)

Wer zahlt die Zeche?

Auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort: Wir kommen immer für die Rechnung auf, als Steuerzahler, Konsument, Leidtragender einer ‚versauten‘ Umwelt oder Opfer des Klimawandels. Somit ist auch klar, dass uns Bürgern das Recht zusteht, über den Einsatz unseres Geldes zu entscheiden. Dabei geht es nicht nur darum, den Politikern auf die Finger zu sehen: Wir dürfen am Regal im Supermarkt nicht nur nach den billigsten Produkten greifen, sondern müssen gleichzeitig danach fragen, wie die Rohstoffe für Nudeln oder Tomatensoße hergestellt wurden? Es ist an der Zeit, dass Billigfleisch aus den Tiefkühltheken verschwindet, denn es stammt im Regelfall aus einer Tierzucht, die ethisch nicht vertretbar ist. „Mittel- und langfristig dürften damit auf die Bürger:innen höhere Kosten für ihre Ernährung zukommen. Einerseits muss die Transformation deswegen für einkommensschwache Verbrauchergruppen sozialpolitisch flankiert werden. Andererseits stehen diesen Mehrkosten vermiedene Gesundheitskosten durch gesündere Ernährung ebenso gegenüber wie ersparte staatliche Aufwendungen durch die Verringerung oder Internalisierung negativer Umweltexternalitäten der Agrarproduktion.“ Hübsch gesagt, liebe Zukunftskommission, doch wir müssen verhindern, dass zusätzliche Kosten auf die bisherigen Agrarsubventionen draufgepackt werden, ohne die Bearbeitung der Böden und die Haltung der Tiere wirklich durchgängig zu verbessern. Wer auf seinen Flächen keine Leistung für Natur und Gesellschaft erbringt, sondern diese gar schädigt, der darf überhaupt keine Zahlungen mehr erhalten! So fordert auch die Zukunftskommission eine grundlegende Änderung der Agrarförderung: „Die bisherigen flächengebundenen Direktzahlungen der 1. Säule der GAP sollen im Laufe der nächsten zwei Förderperioden ab 2023 schrittweise und vollständig in Zahlungen umgewandelt werden, die konkrete Leistungen im Sinne gesellschaftlicher Ziele betriebswirtschaftlich attraktiv werden lassen.“

Brauner Acker mit minimalem Grasrand, der zum Teil auch von Rädern zusammengedrückt wurde.
So sollten Ackerränder nicht aussehen! Wo sollen hier Schmetterlinge, Wildbienen oder Vögel leben? (Bild: Ulsamer)

Selbstverständlich macht es Sinn, durch eine Veränderung in der landwirtschaftlichen Produktion, die zugegebenermaßen Geld kostet, Probleme wie die Nitratbelastung durch Gülle aus der Massentierhaltung erst gar nicht aufkommen zu lassen, anstatt sie mit noch mehr Geld – in Form von zusätzlichen Filtern bei der Trinkwassererzeugung – wieder zu beseitigen. Da Land- und Forstwirtschaft in Deutschland 80 % der Fläche einnehmen, lässt sich auch die Erderwärmung nur bremsen oder die Vorsorge gegen Hochwasser besonders dann verbessern, wenn Äcker, Wiesen und Wälder naturnäher genutzt werden. Wenn wir wieder mehr Brachflächen zum Erhalt der Artenvielfalt wollen oder statt fünffacher Mahd nur zwei pro Jahr, dann müssen die Bauern dafür auch einen tragfähigen Beitrag zu ihrem Einkommen erhalten. „Durch die Bereitstellung von Biodiversitätsflächen in Form von mehrjährigen Dauerbrachen (befristete Stilllegung) können bei entsprechender Prämierung weitere Einkommensbeiträge erzielt werden“, so die Zukunftskommission. Mehr blühende Wiesen statt Dauergrünland ohne jeden ökologischen Nutzen, mehr Lebensraum für Insekten und Vögel auf Brachflächen oder in Hecken und Lesesteinriegeln, mehr Tümpel und Vernässungen als bisher, das alles kostet Geld und muss vom Steuerzahler bzw. Konsumenten aufgebracht werden. Diese Zeche müssen wir bezahlen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Landschaft immer eintöniger wird und die Vogelstimmen verstummen! Wer aber Getreide, Mais- oder Rapsäcker bis zum Horizont anlegt, der kann dafür keine Zahlungen aus den Agrartöpfen mehr erwarten!

Hummel an einer blauen Günzelblüte.
Ohne blühende Pflanzen fehlt es Insekten an Nahrung. Wenn auf mehrfach gemähtem Dauergrünland die vielfältigen Blüten verschwunden sind, dann sterben auch Wildbienen und Schmetterlinge. (Bild: Ulsamer)

Der Natur mehr Raum lassen

Bei so manchem Hinweis, den die Zukunftskommission zu Papier brachte, frage ich mich schon, wo der Neuigkeitswert zu finden ist! Sollte es tatsächlich noch viele Landwirte geben, die sich nicht darum bemühen, die „Stickstoffnutzungseffizienz zu erhöhen und den Düngereinsatz zu reduzieren“? Nun gut, wer Gülle und Mist aus der Massentierhaltung im Überfluss loswerden muss, der sieht in Äckern und Wiesen nur eine Depotfläche. Bei der Realisierung eines technischen Projekts habe ich so manchen Bauern getroffen, der seine Flächen gegen das Kaufinteresse nicht mit der Erzeugung von Getreide oder Kartoffeln verteidigte, sondern betonte, er brauche die Flächen für Hühnermist oder Gülle aus dem Schweinestall. Nur ein müdes Lächeln erntete ich, wenn ich verständnisvoll nach der Futterproduktion auf den eigenen Flächen fragte, denn dieses kam aus Südamerika oder der Ukraine! Der Mais auf dem eigenen Acker dagegen wanderte in die Biogasanlage. Die Zukunftskommission wirft die Frage auf, ob die Zahl der gehaltenen Tiere an bestimmten Standorten begrenzt werden und eine Koppelung mit der vorhandenen Fläche vorgenommen werden müsste: Da kann ich nur mit einem nachdrücklichen Ja antworten. Die Massentierhaltung mit tausenden oder gar zehntausenden Rindern oder Schweinen in einer Stallanlage muss verboten werden, nicht nur in Deutschland, sondern selbstverständlich auch in der EU. Parallel muss der Import aus solch qualvoller Tierhaltung aus anderen Staaten untersagt werden, denn ansonsten wird das Tierleid nur geografisch verschoben und nicht beendet. Gleichzeitig wäre der massenhafte Export von Lebendtieren aus Deutschland und der EU unter unglaublich schlechten Bedingungen auf ein Minimum (Zuchttiere!) zu reduzieren.

Helle und zwei dunkelbraune Schafe auf einer Wiese.
Es ist schon leicht abstrus, dass Fleisch und Wolle von Schafen aus Neuseeland in der EU besser vermarktbar sind als Erzeugnisse von heimischen Weiden. (Bild: Ulsamer)

Auf welchem Wissensstand befinden sich eigentlich manche Landwirte und Agrarpolitiker, wenn ihnen die Zukunftskommission „die Vielfalt von Fruchtfolgen mit dem Anbau insbesondere von Leguminosen zu unterstützen“ ans Herz legen muss?  Den „Einsatz von Mischkulturen, Zwischenfrüchte und Untersaaten zu verstärken“ macht allemal Sinn, und „eine ganzjährige Bodenbedeckung über Zwischenfrüchte oder Stoppeln mit Selbstbegrünung zu erreichen“, hilft auch gegen den Abtrag von Boden bei Starkregen und ist im Sinne der Landwirte und der Menschen, die an Bächen und Flüssen leben. „Die Bodenfruchtbarkeit durch vorrangigen Einsatz von z. B. Mist und Kompost und den Verbleib organischer Reste (wie Stroh) auf dem Feld zu verbessern“ ist wichtig, doch setzt dies voraus, dass nicht der letzte Strohhalm vom Acker entfernt wird, um ihn anderweitig – z. B. für synthetische Kraftstoffe – zu nutzen. Auch die Regenwürmer freuen sich, wenn sie nach der Ernte noch etwas zu ‚beißen‘ haben.  Im Grunde ist es eine Schande, wenn der Politik heute noch nahegebracht werden muss, die „Anlage von Ackerrandstreifen an Gewässern regelmäßig vorzusehen“, denn dies hätte längst in einer Breite von nicht weniger als zehn Metern generell vorgeschrieben werden müssen. Apropos, nicht nur entlang von Gewässern müssen Randstreifen der Natur vorbehalten werden, auch die Säume entlang von Äckern und Dauergrünland an Wegen oder anderen Objekten müssen besser geschützt werden! Viel zu oft bestehen Ackerrandstreifen nur aus einigen Grashalmen und roher Erde, wenn bis zum Weg gepflügt wird.

Blutweiderich in einer bunten Wiese.
Über Jahrzehnte wurden Wiesen untergepflügt und zu Ackerland. Doch auch Dauergrünland, das sechsmal gemäht wird, hat mit einer artenreichen Wiese nichts mehr zu tun. Aber es geht auch anders, das beweist dieses Foto. (Bild: Ulsamer)

Bauern und Natur brauchen eine Chance

Die Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren muss erhalten werden, und dafür muss die Politik die richtige Rahmensetzung bei der Agrarförderung schaffen. Nur das kann Insekten und Vögel retten! Bauern sind im Übrigen zumeist auch die Leidtragenden einer verkorksten EU-Subventionspolitik, die weder das Höfesterben stoppen noch den Landwirten ein auskömmliches Einkommen sichern konnte. Der Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft bietet viele im Grunde altbekannte Erkenntnisse, die endlich umgesetzt werden müssten. Für Bauern und Natur, Gesellschaft und Umwelt ist eine Neuorientierung unumgänglich, die Ökologie und Nachhaltigkeit über Subventionshamsterei und egoistische Einzelinteressen setzt.

Drei bräunliche Brachvögel mit etwas gebogenem Schnabel auf einer grünen Weide an einer Überschwemmungsfläche.
Der Große Brachvogel ist selten geworden. Geeignete Brutgebiete raubte ihm die immer intensivere Landwirtschaft, denn der Umbruch von Grünland oder die häufige Mahd des verbliebenen Grünlands zerstörte die geeigneten Habitate. (Bild: Ulsamer)

Wir können nicht warten bis auch der letzte Fußkranke erkennt, dass in der Landwirtschaft naturnäher gearbeitet werden muss, daher müssen Subventionszahlungen als Hebel für ein Umdenken genutzt werden. Viel zu lange wurden jährlich in der EU Milliarden vergeudet, um an der Fläche orientiert Gelder zu vergeben, anstatt die Bauern nachhaltig zu unterstützen, die sich für Tierwohl, Artenvielfalt und den Schutz des Bodens einsetzen. Die politischen Veränderungen müssen wir als Konsumenten durch den Kauf nachhaltig und möglichst ökologisch erzeugter Produkte unterstützen. Nur wenn die Neuorientierung der Agrarförderung durch ein entsprechendes Kaufverhalten flankiert wird, dann haben Natur und Bauern eine Zukunftsperspektive.

 

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Eine braune Kuh mit zwei Kälbern. Im Hintergrund weitere Rinder.Rinder gehören wieder auf die Weide und nicht in immer gewaltigere Stallanlagen, in denen das Tierwohl auf der Strecke bleibt. Und Kälber müssen möglichst lange bei ihren Müttern verbleiben. (Bild: Ulsamer)

Eine Antwort auf „Agrarbereich muss naturnäher arbeiten“

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