Christine Lambrecht: Bizarres Gastspiel als Verteidigungsministerin

Die Fehlbesetzung verantwortet Bundeskanzler Scholz

Mit Christine Lambrecht hat sich gezeigt, dass es in der Politik stets noch schlimmer kommen kann. Zwar haben ihre Vorgängerinnen und Vorgänger seit Freiherr zu Guttenberg die Bundeswehr auch nicht vorangebracht, doch Lambrecht toppte alles in Sachen Inkompetenz. Aus dem jahrelangen Fehlen warmer Unterwäsche für die Soldatinnen und Solldaten hat sich eine allgemeine Mangelwirtschaft ergeben, die sogar vor Munition und Panzern nicht Halt macht. Da nutzen selbst 100 Mrd. Euro ‚Sondervermögen‘ nichts, wenn niemand im Beschaffungswesen aufräumt. Ex-Ministerin Lambrecht fehlte es jedoch am Gespür für das, was man sagt und was man nicht tut. Wer der Ukraine 5 000 militärische Schutzhelme zusagt, kurz bevor auf Geheiß Putins russische Truppen in das Land einfallen, und dafür auch noch gelobt werden möchte, der lässt jegliches politische Gespür und Einfühlungsvermögen vermissen. Kurios, ja zynisch war ihre Aussage, dies sei ein “ganz deutliches Signal: Wir stehen an eurer Seite”. Fehler macht jeder von uns, doch Lambrecht war weder gewillt und schon gar nicht in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen, und so stellte sie zu guter Letzt zum Jahreswechsel 2022/23 ein bizarres Video bei Instagram ein, in welchem sie – begleitet von Raketen und Böllern – an Silvester über das zurückliegende Jahr 2022 plaudert und in dieser absurden Szenerie auch noch über den Krieg in der Ukraine spricht. Bei aller Kritik an Christine Lambrecht, ins Amt gebracht hat sie Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Verantwortung für seine Fehlbesetzung trägt.

Christine Lambrecht mit Brille und blonden Haaren im hellblauen Mantel in einer Straßenszene in Berlin. Im Hintergrund eine explodierende Feuerwerksrakete.
Wie kann eine langjährige Politikerin ein Video bei Instagram veröffentlichen, in dem sie an Silvester untermalt von explodierenden Böllern und zerplatzenden Raketen über den Krieg in der Ukraine spricht? Ein einziges von Christine Lambrecht selbst verschuldetes kommunikatives Desaster! (Bild: Screenshot, Instagram, Christine Lambrecht, 31.12.2022)

Kein Fettnäpfchen ausgelassen

Manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet im Verteidigungsministerium Politikerinnen und Politiker als Amtschef landen, die bereits vorher nicht gerade durch eine herausragende Performance geglänzt haben. Rudolf Scharping, einst SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat, schied 2002 aus dem Amt als Verteidigungsminister, nachdem er sich mit seiner Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati-Borggreve für die Zeitschrift Bunte im Swimmingpool auf Mallorca ablichten ließ, während die Bundeswehr unmittelbar vor ihrem Einsatz in Mazedonien stand. Machen wir einen zeitlichen Sprung, und landen wir bei Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg, der 2011 nicht über seine lange Reihe von Vornamen, sondern über seine Doktorarbeit stolperte, in der es vor Plagiaten nur so wimmelte. Am Rande bemerkt: Theodor zu Guttenberg (CSU) erwischte es nach der Aberkennung des Doktortitels deutlich schlechter als Franziska Giffey von der SPD, die ebenfalls über ihre fehlerhafte Dissertation stürzte, dann zwar aus dem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ausschied, doch anschließend nahezu bruchlos als Regierende Bürgermeisterin im Roten Rathaus von Berlin landete. Ob sie es bleibt, werden die Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 12. Februar zeigen: Die Wahl muss auf Anordnung des Berliner Verfassungsgerichtshofs wegen katastrophaler organisatorischer Fehlleistungen wiederholt werden. Dazu mehr in meinem Blog-Beitrag ‚Ist Berlin ein ernstzunehmendes Bundesland? Ohrfeige des Verfassungsgerichtshofs für Senat und Behörden‘.

Ursula von der Leyen hat es von 2013 bis 2019 nicht einmal geschafft, den oben erwähnten Mangel an Winterunterwäsche zu beheben, dafür trat sie ein Beschaffungsproblem los, als sie meinte, das G36 würde nicht zielgenau schießen und ein neues Sturmgewehr müsse her. Ursula von der Leyen (CDU) setzte sich nach Brüssel ab und wurde als Dank für die schlechten Leistungen als Verteidigungsministerin zur EU-Kommissionspräsidenten berufen. Ihr Amt in Berlin übernahm Annegret Kramp-Karrenbauer, die als CDU-Vorsitzende gescheitert war, und erneut unterblieb eine Neuorientierung des Beschaffungswesens und der Bundeswehr insgesamt. In ihre Zeit als Verteidigungsministerin fällt auch der fluchtartige Abzug aus Afghanistan. Diese wenigen skizzenhaften Anmerkungen zeigen, dass Lambrecht eine Bundeswehr übernahm, in der häufig Schiffe wegen Materialproblemen nicht in See stechen, U-Boote nicht tauchen und Flugzeuge nicht starten konnten. Hin und wieder waren so wenige Hubschrauber flugtauglich, dass Militärpiloten auf ADAC-Helikoptern ihre Flugstunden absolvieren mussten, um die Fluglizenz nicht zu verlieren. Mehr dazu in ‚Wehrbericht: Verwaltung des Mangels bleibt Alltag.‘ Nur gut, dass zumindest der Hubschrauber abheben konnte, der Lambrecht und ihren Sohn auf dem Weg in den Urlaub noch zu einem Truppenbesuch bringen konnte. Christine Lambrecht hat es geschafft, in einem Amtsjahr nahezu jedes Fettnäpfchen zu treffen. Ihr Rücktritt kam daher folgerichtig, leider reichlich spät.

Informationsbüro der Bundeswehr in Berlin mit der Aufschrift "Wir Dienen Deutschland".
Wie sollen junge Menschen für die Bundeswehr begeistert werden, wenn es beim Material und den Strukturen nicht vorangeht? Wer arbeitet gerne bei einem ‚Unternehmen‘, in dem die Beschaffung nicht in der Lage ist, vorausschauend Fahrzeuge oder Waffen einzukaufen und deren Wartung zu sichern? Immer mehr Geld allein wird es nicht richten! (Bild: Ulsamer)

Loyalität zu Scholz statt Kompetenz

Wenn es um militärische Unterstützung durch Materiallieferungen für die Ukraine ging, machte Lambrecht keine gute Figur. Die Schuld dafür trägt allerdings der Bundeskanzler. Lambrecht war stets loyal gegenüber Olaf Scholz, und das hatte sie auch ins Amt gebracht, doch viel zu langsam kam die Hilfe für das um seine Freiheit kämpfende ukrainische Volk in Gang. Selbst Bündnis90/Die Grünen stieß die Behäbigkeit des Kanzlers sauer auf, der seine Unentschlossenheit nur mühsam kaschieren konnte, indem er sich als Friedensapostel darstellte, und denen, die sich für Panzerlieferungen an die Ukraine aussprachen, insgeheim Kriegslüsternheit vorwarf. Lange wurde Scholz so zu Putins Bettvorleger und Lambrecht vermied alles, um nicht auf ihn zu treten. Die Bundeswehr spürte, dass sich die frühere Justizministerin nicht wirklich für ihre Anliegen einsetzte und ihr das Durchsetzungsvermögen fehlte, um die Mängel bei Material und Personal in Angriff zu nehmen.

Olaf Scholz hätte bereits bei der Kabinettsbildung auf Lambrecht verzichten müssen, die noch nicht einmal mehr bei der Bundestagswahl 2021 angetreten war. Sie wollte sich anderen Aufgaben widmen oder sich aufs Altenteil zurückziehen, was gerade auch den schlechten Umfrageergebnissen für die SPD geschuldet war. Als Olaf Scholz wie durch ein kleines politisches Wunder die Stimmung drehen und im Kanzleramt Platz nehmen konnte, da schlich Lambrecht mit dessen Rückendeckung ins Ministeramt. Für mich stellt sich nicht nur in diesem Fall die Frage, ob Ministerämter nicht generell mit Abgeordneten besetzt werden müssten. Olaf Scholz konnte bei der Besetzung der Ministerposten im Dezember 2021 nicht wissen, dass Wladimir Putin einen Krieg vom Zaun brechen würde, doch Christine Lambrecht wäre auch in Friedenszeiten eine Fehlbesetzung gewesen. Irgendwie hilflos irrte sie durch die vielfältigen Problemzonen ihres Amtes, was im Dezember beim Puma-Desaster deutlich zutage trat, als bei einer Übung alle beteiligten Hightech-Panzer ausfielen. Sofort schob sie den Herstellern die Schuld zu und setzte weitere Bestellungen aus. Dagegen stellte sich heraus, dass bis auf einen Kabelbrand lediglich kleinere Fehler aufgetreten waren. Teilweise war wohl unsachgemäße Handhabung der Grund, und so mancher Mangel hätte bei entsprechender Sachkenntnis vor Ort behoben werden können. Vielleicht sollte man bei der Bundeswehr einschließlich Beschaffungsamt nicht nur auf Hightech, sondern auch auf Praxisnähe, sowie bessere Ausbildung setzen. Damit wären wir einmal mehr beim Sturmgewehr, mit dem in vielen Armeen der Welt problemlos geschossen wird, doch im Herstellerland Deutschland nach Meinung der damaligen Ministerin Ursula von der Leyen nicht.

Bei ihrem Rücktritt beklagte Christine Lambrecht eine „Monatelange mediale Fokussierung auf meine Person“. Nun gut, wer als Bundesverteidigungsministerin dies nicht möchte, der tritt am besten ab, was Lambrecht ja nun getan hat. Dies ist ihr positiv anzurechnen, denn die gegenwärtige Hängepartie kann sich Deutschland in der jetzigen weltpolitischen Gemengelage wahrlich nicht leisten. Wer bei einem Truppenbesuch in Mali und Niger mit Pumps statt mit Sicherheitsschuhen oder ähnlichem auftritt, mit dem Sohn im Bundeswehr-Helikopter in Richtung des Urlaubsortes Sylt zu einem Truppenbesuch knattert und dann noch mit Raketen und Böllern im Hintergrund zu Silvester über den Krieg in der Ukraine spricht und „Viele, viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen“ erwähnt, der ist kommunikativ ein echter Rohrkrepierer. Das wäre zu verschmerzen gewesen, wenn Lambrecht inhaltlich die richtigen Schritte bei der Bundeswehr eingeleitet hätte, doch auch dort: Fehlanzeige. So wurde wieder eine Chance vertan, die Bundeswehr aus Mangelwirtschaft und Überbürokratisierung zu führen. Daran trägt zwar nicht Christine Lambrecht die Hauptschuld, sondern Bundeskanzler Olaf Scholz, der sie zur Ministerin machte und über ein Jahr gewähren ließ.

 

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Blick auf die Frontseite des Bundeskanzleramts mit drei Fahnen.Christine Lambrecht war eine komplette Fehlbesetzung im Bundesministerium der Verteidigung – sowohl kommunikativ als auch inhaltlich. Die Verantwortung für diese Fehlbesetzung trägt jedoch Bundeskanzler Olaf Scholz, der Lambrecht in sein Kabinett hievte, obwohl sie bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr angetreten war. Angela Merkels letzte Bundesregierung habe ich als „Horrorkabinett“ bezeichnet, doch Olaf Scholz legt sich echt ins Zeug, um ihr den Rang abzulaufen. (Bild: Ulsamer)

 

 

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