Übernahme der Meyer Werft ist ein wirtschaftspolitischer Irrweg
Selbstredend habe ich viel Verständnis dafür, wenn sich Politiker für den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzen, doch selten sind Landes- oder Bundesregierungen die besseren Unternehmer. Wird das bei der Meyer Werft mit ihren Standorten in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Finnland anders sein? Zu hoffen wäre das für die betroffenen Arbeitnehmer, die Zulieferer und natürlich die Steuerzahler, aber so richtig daran glauben kann ich nicht. Ins Firmenkässlein legen das Land Niedersachsen und die Bundesregierung je 200 Mio. Euro ein, und zusätzlich übernehmen Bund und Land jeweils Garantien von rd. einer Milliarde Euro. Die Meyer Werft habe volle Auftragsbücher, daher sei die 80-prozentige Übernahme lediglich vorübergehend, so Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Stephan Weil – beide SPD. Die Meyer Werft hatte auch bisher reichlich Aufträge, doch diese wurden wohl zu nicht kostendeckenden bzw. Gewinn bringenden Konditionen ins Haus geholt. Nicht nur die Meyer Werft steht derzeit auf schwankenden Planken, sondern manchem Abnehmer geht es ähnlich. So vermeldete ‚tagesschau.de‘ ganz passend zur schlingernden Werft: „Das Bundesfinanzministerium setzt sich laut NDR für eine Exportkreditgarantie für die verschuldete US-Kreuzfahrtreederei Carnival ein. Mit einem 1,25 Milliarden-Euro-Kredit will Carnival ein Schiff bei der angeschlagenen Meyer Werft bestellen.“ Ist das nicht wie im finanzpolitischen Tollhaus? Da braucht nicht nur die Werft staatliche Gelder, sondern der Abnehmer eine Garantie, dass der Kaufpreis bezahlt werden kann! Und damit der Steuerzahler freundlich gestimmt bleibt, erklärt Dieter Janecek, der Maritime Koordinator der Bundesregierung – auch das gibt es im Hause des Heizungsgesetz-Ministers Robert Habeck -, diese Großwerft sei „von strategischer Bedeutung für Deutschland“. Jetzt wissen wir es endlich genau: Eine Werft, die vor allen Dingen ihr Ansehen aus dem Bau von Kreuzfahrtschiffen bezieht, ist für die Vertreter der Grünen – Habeck und Janecek – trotz aller umweltpolitischer Kritik am Kreuzfahrtgewerbe von strategischer Bedeutung!
Steuerzahler als Ersatz für private Investoren?
In den Auftragsbüchern der Meyer Werft finden sich wohl auch Konverter-Plattformen für Offshore-Windparks, eine sicherlich im grünen Milieu besser verkäufliche Ware als Kreuzfahrtschiffe, was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Weil nun ausgerechnet beim Produzenten von Kreuzfahrtschiffen angeheuert haben, obwohl die Strategie des Unternehmens durchaus Zweifel aufwirft. Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän, das erinnert mich an Florian Silbereisen, der beim ‚Traumschiff‘ den Kapitän mimt, obwohl ich ihn mir eher als Leichtmatrosen vorstellen könnte. Und so ist es – nach der bisherigen Performance – auch bei Olaf Scholz. Nun aber lege ich schnell die Ironie beiseite, denn der Einsatz an Steuermitteln ist bei der Meyer Werft hoch und problematisch zugleich. Der Bund der Steuerzahler warnte in Niedersachsen vor einem direkten finanziellen Engagement von Land und Bund und konnte sich nur für Bürgschaften erwärmen, doch dies hielt Scholz und Weil nicht von einer direkten Beteiligung in Höhe von 80 % ab. Zwar wird berichtet, die Familie Meyer wolle die Anteile baldmöglichst zurückkaufen, aber ganz ehrlich, wie soll denn das funktionieren, wenn mit den gebauten Schiffen bereits seit Jahren wenig bis gar nichts verdient wurde?
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezeichnete im Berliner ‚Tagesspiegel‘ den mehrheitlichen Einstieg bei der Meyer Werft als „weder klug noch angemessen“. Professor Fratzscher wendet sich auch gegen die Aussage, es gehe um strategisch wichtige Technologien: Die Meyer Werft „ist in ihre schwierige finanzielle Lage primär durch eigenes Verschulden gerutscht und nicht durch höhere Gewalt. Sie stellt keine Technologie her, die essenziell für Deutschland oder Europa ist, und es gibt keinen guten Grund, wieso Kreuzfahrtschiffe in Zukunft unbedingt in Deutschland hergestellt werden sollten.“ Bedenklich stimmen muss, dass weder die Banken ihr Kreditvolumen erhöhen noch private Investoren in das Unternehmen einsteigen wollten. „Die Wahrscheinlichkeit ist somit groß, dass die Rettung der Meyer Werft ultimativ scheitern wird, trotz oder vielleicht auch wegen der staatlichen Beteiligung“, so Fratzscher weiter. „Die gescheiterte Rettung von Karstadt – und damit verbundene finanzielle Verluste – sind nur ein Beispiel für eine gescheiterte staatliche Rettungsaktion.“
Spielt die Umwelt keine Rolle?
Deutlich zu kurz kamen in der Diskussion um den Staatseinstieg bei der Meyer Werft Umweltaspekte. „Die Kreuzfahrtbranche gehört zu einer der schmutzigsten Branchen. Kreuzfahrtschiffe verursachen einen enormen Schaden für die Weltmeere und das Klima. Wenn die Politik in Deutschland die Tourismusbranche unterstützen möchte, sollte sie lieber den vielen kleinen Familienunternehmen vor Ort in Deutschland helfen als einer großen und global agierenden Werft“, betonte Fratzscher. Der ‚Wattenrat‘, eine Interessengemeinschaft von Naturschützern aus der Küstenregion Ostfrieslands, unterstrich, dass die Ems seit Jahrzehnten zerstört wird, damit riesige Pötte über den Fluss in die Nordsee manövriert werden können. „Ende des 19. Jahrhunderts war die Ems ca. 2,5 Meter tief, wurde sukzessive im Laufe der Jahrzehnte für die Schiffsüberführungen der Meyer Werft auf 7,30 Meter ausgebaggert und kann zusätzlich mit einem Stauwerk (‚Sperrwerk‘ genannt) bei Gandersum für die ganz großen Schiffe auf 8,50 Meter angehoben werden. Die Folgen für den Fluss sind eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit mit Erosionen und starkem Schlickeintrag mit Sauerstoffzehrung. Bei Sommerstaus ertrinken dann die Gelege und Jungvögel im EU-Vogelschutzgebiet der Unterems“, so der ‚Wattenrat‘. Der Naturschutz bleibt leider – selbst in einer Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen – ein Stiefkind der Politik! In gleicher Weise unterstützten die Bundesregierungen von Merkel und Scholz die Ansiedlung von ‚Tesla‘ im brandenburgischen Grünheide in einer Region, die bereits seit langem über Wassernot klagt, obwohl das wachsende Produktionswerk einen hohen Wasserbedarf hat. Schon direkt zum Baustart gab es erhebliche Bedenken von Naturschützern, auf die ich in meinem Artikel ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘ eingegangen bin. Würde sich die von Olaf Scholz geführte Bundesregierung doch in gleichem Maße für kleine und mittlere Unternehmen einsetzen! Das wäre zielführender als mit üppigen Zuschüssen Großunternehmen zu ködern. Und selbst mit 10 Mrd. Euro lässt sich der Chiphersteller Intel derzeit nicht nach Magdeburg locken.
Jetzt aber zurück zur Meyer Werft. Nicht nur der vorangehend zitierte Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sondern auch Clemens Fuest, Vorstand des Münchner Ifo-Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung), kritisierte den Staatseinstieg bei der Meyer Werft in der ‚WirtschaftsWoche‘: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, angeschlagene Privatunternehmen vor der Insolvenz zu retten.“ Und Professor Fuest fährt fort: „Wenn das Geschäftsmodell aussichtsreich ist, werden sich private Investoren finden.“ ‚tagesschau.de‘ hatte schon früher darüber berichtet, dass auch das Bundesfinanzministerium auf die Gewinnung eines privaten Investors – in Ergänzung zu Staatsmitteln – drängte. Obwohl sich kein Investor aus der Privatwirtschaft finden ließ, öffneten Bund und Land das Steuersäcklein für die Meyer Werft.
Bundeskanzler Scholz, den noch immer unbeantwortete Fragen zum Cum-Ex-Steuerskandal verfolgen, in den die Warburg Bank in seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs verwickelt war, hat aus meiner Sicht in wirtschaftspolitischen Fragen kein gutes Händchen. So betätigte er sich als Türöffner für den chinesischen Staatskonzern Cosco, als dieser Anteile an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) erwarb. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag: ‚Bundeskanzler Scholz als Türöffner für chinesische Interessen. Kritische Infrastruktur muss geschützt werden‘. Gerne überhört Scholz kritische Anmerkungen von Experten, denn er hält sich persönlich für einen exzellenten Fachmann in allen Lebensfragen. Notfalls setzt der Bundeskanzler sein übliches Grinsen auf und hofft, dass er so der Kritik entgeht. Selbst sein in den tiefsten Keller abgerutschtes Ansehen bei der Wählerschaft scheint Scholz nicht zu irritieren. Wir können nur hoffen, dass sich der Einstieg bei der Meyer Werft nicht zu einem Fass ohne Boden für den Steuerzahler entwickelt. Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän, das ist für mich und sicherlich für viele andere ein Alptraum.