6. Juni 1944: D-Day in der Normandie

Die Invasion zur Befreiung Europas von der NS-Diktatur

Am D-Day, dem Tag der Entscheidung, ging es bei der Invasion in der Normandie nicht nur um einen heldenhaften Ansturm alliierter Soldaten gegen die vom deutschen Militär zum Atlantikwall ausgebaute Küstenlinie, sondern in gleichem Maße um eine logistische Meisterleistung. 4 500 alliierte Soldaten ließen am ersten Tag der Invasion ihr Leben, aber innerhalb von 24 Stunden gelang es den USA, Großbritannien, Kanada und weiteren Staaten 150 000 Soldaten an der normannischen Küste zu landen und Brückenköpfe zu sichern. Das Ende der nationalsozialistischen Diktatur wurde durch die Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944 eingeläutet, obschon der Weg bis nach Berlin und zum Kriegsende noch weit und blutig sein würde. Wenn sich ein Ereignis zum 80. Mal jährt, dann fehlen zumeist Zeitzeugen und häufig scheint die Bedeutung der Vorgänge zu schwinden, doch dies ist zum Glück bei der Invasion bis heute nicht der Fall: Die alliierten Truppen brachten die Freiheit zurück nach Europa, auf einen Kontinent, den das verbrecherische Regime der Nationalsozialisten weitgehend unter seine Knute gezwungen hatte. Adolf Hitler und seine kriminellen Mittäter hatten nicht nur die Welt in einen Krieg mit Millionen von Opfern gestürzt und millionenfach Menschen als Zwangsarbeiter versklavt, sondern mit der systematischen Ermordung von sechs Millionen Juden ein bis zu diesem Zeitpunkt kaum vorstellbares Menschheitsverbrechen begangen. Dem deutschen Widerstand war es nicht gelungen, dem mörderischen Treiben der NS-Schergen ein Ende zu bereiten, so blieb im Grunde nur der Anstoß von außen, um das Herrschaftssystem der Nationalsozialisten zu zerschlagen. Die Weltherrschaftsfantasien Hitlers wurden – auch zum Glück für uns Deutsche – durch die Landung an der französischen Küste erschüttert und letztendlich zertrümmert. Einer internationalen Koalition gelang es, die größte Landungsoperation der Geschichte erfolgreich durchzuführen, obgleich mit großem Blutzoll. Tausende von französischen Zivilisten ließen in Nordfrankreich ebenfalls ihr Leben und zehntausende von deutschen Soldaten, die Hitler in einen sinnlosen und verbrecherischen Krieg geschickt hatte. Die Freiheit siegte, und dafür dürfen wir bis heute dankbar sein! Die Invasion der alliierten Truppen am           6. Juni 1944 in der Normandie ist ein wichtiger Teil unserer Erinnerungskultur.

Zahllose weiße Kreuze auf dem Normandy American Semetry. Im Hintergrund eine größere Besuchergruppe vor Bäumen, danach das Meer.
Der Normandy American Cemetry liegt bei Colleville-sur-Mer in der Nähe von Bayeux auf einer Klippe über dem Omaha Beach, einer der Landungszonen bei der Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944. Allein hier fanden fast 10 000 gefallene US-Soldaten ihre letzte Ruhestätte. Ein Mahnmal erinnert auch an 1557 Vermisste. Selbst Jahrzehnte nach meinem ersten Besuch dieses Friedhofs empfinde ich die langen Gräberreihen als bedrückend. Die hier begrabenen Soldaten starben für Freiheit und Frieden, der gegen die verbrecherische NS-Diktatur erkämpft werden musste. (Bild: Ulsamer)

Friedhöfe als Mahnung

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch auf dem Normandy American Cemetry, der oberhalb des Omaha Beach liegt. Es wäre ein malerischer Ort, wenn dort nicht 9 387 US-Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden hätten. Gedacht wird auf diesem bewegenden Friedhof mit seinen schier unendlich scheinenden Reihen weißer Kreuze auch 1 557 vermissten Soldaten. 50 Jahre liegt nun mein erster Besuch zurück, und ich weiß noch wie heute, dass meine drei Schulkameraden und ich daran dachten, dass viele der hier beerdigten Soldaten am Tag ihres Todes in unserem Alter gewesen waren. Ein halbes Jahrhundert später rief dieser historische Ort für meine Frau und mich ähnliche Gefühle hervor, wenn wir nun allerdings an Kinder und Enkelkinder dachten, besonders vor dem Hintergrund, dass der russische Präsident Wladimir Putin in Europa einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine führt, der durch nichts gerechtfertigt werden kann. Wieder geht es nicht nur um die Integrität eines Landes, sondern um die Freiheit der Ukrainer und letztendlich unser aller Freiheit. Leider haben nicht alle politischen Potentaten aus den vergangenen beiden Weltkriegen oder anderen militärischen Auseinandersetzungen etwas gelernt. Die Dichte an Soldatenfriedhöfen ist in der Normandie oder an der Somme, wenn wir an den Ersten Weltkrieg denken, erschreckend und im Grunde zum Weinen. Mehr zu diesem traurigen Kapitel unserer europäischen Geschichte finden Sie in meinem Artikel ‚Soldatenfriedhöfe als Mahnung zur Völkerverständigung. Freiheit und Frieden gehören zusammen‘.

Fahne mit einer weißen Friedentaube mit einem Zweig im Schnabel.
Die Invasion alliierter Truppen in der Normandie jährt sich zum 80. Mal. Dieses historische Datum gehört zu unserer Erinnerungskultur: Die Befreiung Deutschlands und Europas vom Nationalsozialismus rückte durch die Landung am 6. Juni 1944 näher. (Bild: Ulsamer)

In einem Beitrag zur Invasion am 6. Juni 1944 macht es durchaus Sinn, zuerst noch kurz das Jahr 1940 zu betrachten. Deutsche Truppen hatten durch ihren schnellen Vorstoß über Belgien und durch die Ardennen französische und britische Truppen in Flandern und entlang der belgisch-französischen Kanalküste abgeschnitten. Am 26. Mai 1940 begann über den französischen Hafen Dünkirchen eine breit angelegte Rettungsaktion mit Schiffen aller Art: 370 000 alliierte Soldaten, unter ihnen 139 000 Franzosen, konnten sich nach England retten. Sie mussten zwar mangels Transportkapazität ihre schweren Waffen zurücklassen, doch die evakuierten Soldaten waren von zentraler Bedeutung für die neu aufgestellten britischen Verbände und der französischen Exilarmee. Hitler hatte selbst die Panzertruppen in ihrem Vormarsch stoppen lassen und geglaubt, die eingeschlossenen alliierten Verbände würden durch die deutsche Luftwaffe unter Hermann Göring aufgerieben. Hier zeigte sich, dass der NS-Diktator alles andere war als „der größte Feldherr aller Zeiten“, wie ihn Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht von 1938 bis 1945, betitelt hatte. Wir alle können froh sein, dass der ‚Gröfaz‘ zwar beklagenswerter weise Abermillionen Menschen ins Unglück reißen konnte, doch in militärischen Fragen war er – wie im persönlichen Leben – ein Versager. So lag Hitler bis 11 Uhr im Bett, als die alliierte Invasion in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 begonnen hatte, und wieder wurden die deutschen Panzer verspätet eingesetzt. Adolf Hitler konnte sich eine Invasion nur an der engsten Stelle des Kanals – also zwischen Dover und Calais – vorstellen, und hatte dort den Atlantikwall besonders stark ausbauen lassen. Wer jedenfalls mehrere Hunderttausend Soldaten 1940 in wenigen Tagen nach England ausschiffen konnte, der war 1944 auch in der Lage, eine gewaltige Streitmacht binnen Stunden und Tagen an der französischen Küste zwischen Ouistreham und der Pointe du Hoc bzw. Sainte-Mère-Église auf 90 km Breite an Land zu setzen.

Ein weißer Stein ragt in die Höhe, im Hintergrund das blaue Meer - der Ärmelkanal.
Die Hälfte der 250 U.S. Army Ranger, die am 6. Juni 1944 bei Grandcamp-Maisy in der Normandie gelandet waren, um die Pointe du Hoc zu erobern, ließen bei diesem Unterfangen ihr Leben. Letztendlich gelang es den US-Soldaten, die deutsche Stellung auszuschalten. Die 155-Millimeter-Geschütze, die den Landungsbereich am Omaha Beach hätten beschießen können, waren von der Wehrmacht bereits ins Hinterland verlegt worden, sie konnten dort unbrauchbar gemacht werden. Ein Denkmal erinnert heute auf der Klippe an ihren Kampf. (Bild: Ulsamer)

Zumindest erwähnen möchte ich noch die Landung alliierter Truppen, in erster Linie kanadischer Soldaten, am 19. August 1942 in Dieppe, im von deutschen Truppen besetzten Nordfrankreich. Das eigentliche Ziel der 8 500 Soldaten war es, die Hafenstadt für 24 Stunden zu besetzen, doch dies misslang und die Operation ‚Jubilee‘ wurde nach enormen Verlusten abgebrochen. Die Westalliierten hatten erkannt, dass die von Josef Stalin, Generalsekretär der KPdSU und kommunistischer Diktator der Sowjetunion, geforderte zweite Front noch nicht aufgebaut werden konnte. Die verbleibende Zeit bis zur Invasion am 6. Juni 1944 wurde intensiv genutzt, um insbesondere in den US-Rüstungsfabriken die notwendigen militärischen Geräte zu produzieren und die alliierten Truppen weiter auszubauen. Die deutsche Seite feierte das Zurückschlagen der ‚Dieppe Raid‘ als großen Erfolg, ohne zu erkennen, dass die alliierten Truppen zwar rd. 70 % der Soldaten und zahlreiche Flugzeuge verloren hatten, aber wichtige Erkenntnisse über das deutsche Verhalten bei einer Landung gewinnen konnten, die in die Invasionsvorbereitungen einflossen.

Drei Gruppen von Metallstelen mit unterschiedlichen Formen auf dem Sandstrand, dahinter die auflaufenden Meereswellen.
Im Zentrum des Omaha Beach erinnert eine moderne Skulptur von Anilore Banon an die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944. Dieser Küstenabschnitt war zwar heftig bombardiert worden, doch die Bomben trafen das Hinterland und nicht die Bunker der deutschen Besatzer. Daher erwartete die landenden Truppen heftiger Beschuss, dem 3 000 US-Soldaten zum Opfer fielen. Die aus Anlass des 60. Jahrestags der Invasion errichtete Skulptur ‚The Braves‘ von Anilore Banon, die 1957 in Casablanca geboren wurde, ist dreigeteilt: ‚The Wings of Hope‘, ‚Rise, Freedom!‘ and ‚The Wings of Fraternity‘. Mit den Flügeln der Hoffnung möchte die Künstlerin daran erinnern, dass die Zukunft veränderbar ist, wie das auch die Invasion mutiger Soldaten gezeigt hat. Das Beispiel der Soldaten, die sich gegen die Barbarei stellten, soll Ansporn sein, sich gegen jede Inhumanität zu wenden. Die Flügel der Brüderlichkeit sollen uns an unsere Verantwortung gegenüber anderen und uns selbst erinnern, so der Wunsch von Anilore Banon. Die eindrucksvolle Skulptur wurde bei Saint-Laurent-sur-Mer direkt am Strand errichtet und lohnt einen Besuch für historisch und künstlerisch Interessierte. (Bild: Ulsamer)

Der Anfang vom Ende des NS-Regimes

Für die größte Landung militärischer Verbände der Geschichte hatten die westlichen Alliierten alle industriellen und militärischen Möglichkeiten genutzt, und wie beim Ersten Weltkrieg zeigte es sich, dass der US-Wirtschaft dabei eine zentrale Rolle zukam. „Mit über 3.100 Landungsbooten setzte in der Nacht zum 6. Juni 1944 die erste Welle der Invasionsarmee von Großbritannien nach Frankreich über. Unter dem Feuerschutz von 1.200 Kriegsschiffen und 7.500 Flugzeugen landeten im Morgengrauen rund 150.000 Amerikaner, Briten, Franzosen, Polen sowie Kanadier und weitere Commonwealth-Angehörige an fünf verschiedenen Stränden der Normandie. Gleichzeitig brachten Fallschirmjäger und Luftlandetruppen wichtige strategische Punkte im Hinterland unter ihre Kontrolle. Am 12. Juni gelang es rund 330.000 alliierten Soldaten mit 54.000 Fahrzeugen, die fünf Landungsköpfe zu einer zusammenhängenden Front von 100 Kilometern Länge und 30 Kilometern Tiefe zu verbinden“, so Arnulf Scriba vom Deutschen Historischen Museum in ‚LEMO Lebendiges Museum Online‘. Die ursprünglich für den 5. Mai vorgesehene Landung wurde wegen des stürmischen Wetters um einen Tag verschoben. „Das Wetter war schlecht, typischer für Dezember als für Juni; doch bestand nach den Meteorologen einige Aussicht auf eine vorübergehende Besserung in der Frühe des 6. Dann dürfte es wieder auf unbestimmte Zeit rauh und stürmisch sein“, so Winston Churchill, damals Premierminister des Vereinigten Königreichs, in seinem mit dem Nobel-Preis ausgezeichneten Werk ‚Der Zweite Weltkrieg‘, das 1948 erschienen ist. Die Meteorologen auf deutscher Seite schätzten die Wetterlage anders ein und bestärkten damit die deutschen Militärs, die in diesen Tagen keine Invasion erwarteten. Wichtige Hinweise zur Einschätzung des sich abzeichnenden Wetters und zur Verschiebung der Invasion um einen Tag hatte die irische Postbotin Maureen Sweeney gegeben, die im westirischen Blacksod (County Mayo) am 3. Juni 1944 den sich abzeichnenden Sturm über dem Atlantik, der in westliche Richtung zog, am Druckabfall erkannt hatte. Die 21-Jährige rettete vermutlich mit ihren meteorologischen Daten vielen Soldaten das Leben und wurde dafür 2021 vom US-Repräsentantenhaus geehrt.

Bunkeranlage, aus der vorderen Öffnung ragt ein Kanonenrohr. Eine kleine Besuchergruppe vor dem Bunker, dahinter ein weiterer Betonbunker.
Die deutsche Geschützbatterie bei Longues-sur-Mer ist die einzige als historisches Monument gelistete Stellung dieser Art. Die Bunker liegen auf einer Klippe, von der aus man einen weiten Blick hat über den Ärmelkanal, auf den Omaha Beach, an dem US-Truppen landeten, und ‚Juno Beach‘, dem britischen Angriffssektor. Durch Bombenangriffe und Beschuss durch Schiffsartillerie konnte die Geschützstellung nicht voll in das Geschehen eingreifen. Am 7. Juni 1944 nahmen britische Soldaten das Areal ein. (Bild: Ulsamer)

Bei der Festlegung des Angriffstermins spielten zahlreiche Faktoren eine Rolle. Beim Absetzen von Fallschirmjägern und Gleitern, die von Motormaschinen zur normannischen Küste geschleppt und dann ausgeklinkt wurden, durfte es nicht zu windig sein, aber sie sollten auch in einer hellen Mondnacht landen, um sich eine bessere Orientierung zu ermöglichen. „Und schließlich waren die Gezeiten zu berücksichtigen. Landeten wir bei Flutwasser, würden die Unterwasserhindernisse die Annäherung erschweren, landeten wir bei Ebbe, mussten die Truppen eine weite Strecke über den ungeschützten Strand zurücklegen“, berichtete Winston Churchill. War der Weg von den Booten bis zu den Klippen oder Dünen sehr weit, boten die ankommenden Soldaten zu lange ein Ziel für die deutschen Verteidiger in den Bunkeranlagen. Nimmt man diese Anforderungen zusammen, dann hätte die Invasion bei einer weiteren Terminveränderung um 14 Tage – eher vier Wochen – verschoben werden müssen, wenn man die Mondphase einbezieht. Über einen solch langen Zeitraum hätte die Geheimhaltung niemals aufrechterhalten werden können. Bei jeder kurzen Verschiebung – wie vom 5. auf den 6. Juni – musste die militärische Führung unter dem späterem US-Präsidenten General Dwight D. Eisenhower, sowie seinem britischen Kollegen Bernard Montgomery, an die Soldaten denken: „Es war ein schwerer Tag für die vielen Tausende, die sich längs der ganzen Küste in der drangvollen Enge der Landungsschiffe befanden“, so Churchill.

Farbiges Glasfenster in der Kirche mit einem runden Bogen am oberen Ende. Deutlich erkennbar: Maria mit Jesuskind, links und rechts von ihr etwas weiter unten Fallschirmjäger.
Die Kirche in Sainte-Mère-Église wurde im 11. Jahrhundert im romanischen Stil gebaut und bis ins 16. Jahrhundert im gotischen Stil überformt. Im Innern findet sich ein modernes Fenster, das Maria mit dem Jesuskind zeigt, umgeben von niedergehenden Fallschirmjägern. Diese werden als die schützenden Engel der Stadt angesehen. (Bild: Ulsamer)

Nicht unterschätzt werden darf die Rolle der Fallschirmjäger und weiterer Soldaten, die mit Lastenseglern hinter den deutschen Linien landeten, wichtige Brücken besetzten und auf diese Weise vor der Zerstörung durch deutsche Truppen bewahrten. Sie eroberten und befreiten als erste Gemeinde in der Normandie Sainte-Mère Église im Hinterland des ‚Utah-Beach‘ genannten Strandabschnitts. Utah- bzw. Omaha-Beach wurden die Küstenabschnitte genannt, an denen die US-Streitkräfte landeten, an ‚Gold‘ und ‚Sword‘ kämpften die Briten und dazwischen an ‚Juno‘ die Kanadier. Anhaltendes Bombardement und Beschuss durch die alliierten Schiffskanonen hatte in den genannten Sektoren des Atlantikwalls Wirkung gezeigt, mit Ausnahme des Omaha-Beach. Historiker streiten darüber, ob ein kleiner Rechenfehler oder die Wolkendecke dazu geführt hatte, dass die anfliegenden alliierten Flugzeuge ihre Bomben nicht auf die Befestigungen auf den Klippen, sondern auf das Hinterland abgeworfen hatten. Die Folge war für die landenden US-Soldaten furchtbar: Sie trafen auf eine nicht beeinträchtigte Gegenwehr der deutschen Einheiten, so dass General Omar Bradly gegen neun Uhr am Morgen auf dem Flaggschiff der Armada USS Augusta überlegte, den Omaha-Beach aufzugeben. Trotz der enormen Verluste in der Anfangsphase gelang es den US-Kräften den Strand zu verlassen und die Stellungen der deutschen Soldaten zu stürmen. Die alliierten Streitkräfte konnten ihre Brückenköpfe in den nächsten Tagen zu einer einheitlichen Front verbinden und weiter vorrücken, während man sich im Oberkommando der Wehrmacht weder über die Bedeutung des Vorstoßes im Klaren noch über die Heranführung weiterer Kräfte einig war. „Daß es sich tatsächlich um den lang erwarteten D-Tag handelte, zeigte ein in den Morgenstunden verbreiteter Befehl Eisenhowers, an den sich Ansprachen der feindlichen Ministerpräsidenten anschlossen“, so der Eintrag im ‚Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht‘, herausgegeben von Percy E. Schramm, der selbst einer der damaligen Autoren war. „Jedoch war noch nicht klar, ob es sich um einen ersten Vorstoß, um eigene Kräfte zu binden, oder wirklich schon um die Hauptaktion handelt.“ Bis sich Adolf Hitler und das Oberkommando der Wehrmacht zu einer geschlossenen Reaktion durchgerungen hatten, war es den Alliierten gelungen, an der normannischen Küste Fuß zu fassen und dank ihrer Luftüberlegenheit konnten sie verspätete deutsche Vorstöße mit Panzern weitgehend unterbinden. Der Anfang vom Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Europa und in Deutschland wurde durch die gelungene Invasion in der Normandie endgültig eingeleitet.

Klippen an der normannischen Küste beim Pointe du Hoc. Davor rostiger Stacheldraht.
Blick von der Pointe du Hoc auf die Küste, die die alliierten Truppen bei ihrer Invasion vor gewaltige Herausforderungen stellte. (Bild: Ulsamer)

Opfer für die Freiheit

Allein in den ersten 24 Stunden der Invasion starben 4 500 alliierte Soldaten bei dem letztendlich erfolgreichen Bemühen, die Freiheit wieder in weite Regionen Europas zu bringen, die die NS-Diktatur mit brutaler Gewalt unterworfen hatte. Eine erschreckende Zahl an Toten, nicht zu vergessen die zivilen Opfer und die Toten auf deutscher Seite, die Adolf Hitler allerdings kalt ließen – ebenso wie alle Menschen, die wegen seiner kruden und verbrecherischen Ideologie und dem daraus resultierenden Handeln ihr Leben lassen mussten. „Wir sind mit geringen Verlusten hinübergekommen“ schrieb Churchill in einem Telegramm an Stalin. „Mit einem Verlust von rund 10 000 Mann hatten wir gerechnet“. Die Friedhöfe in der Normandie füllten sich, mit denen, die für die Freiheit kämpften, und denen, die weiter für das NS-Regime stritten, obwohl nicht wenige erkannt hatten, dass das Ende des Nationalsozialismus längst eingeläutet worden war. In den Tagen der Invasion befreiten alliierte Truppen Rom, bereits im Winter 1942/43 hatte sich in Stalingrad gezeigt, dass der Krieg auch im Osten verloren war. Einsichtsfähigkeit fehlte Adolf Hitler, der sich in eine verbrecherische Rassenideologie verstrickt hatte, und Menschenleben zählten für den NS-Diktator nicht.

Ein Ständer gefüllt mit unterschiedlichen Prospekten für Museen und andere Gedenkorte zur Invasion in der Normandie.
Das Angebot an Museen und Gedenkorten, die sich der Invasion der Alliierten in der Normandie widmen, ist vielfältig und füllt ganze Prospektständer. Vielen anderen historischen Orten ist es nicht gelungen, sich so breit im Bewusstsein zu halten. Einen guten Überblick über die historischen Orte und die Öffnungszeiten der Museen usw. vermittelt eine Broschüre mit dem Titel ‚Visitors‘ Guide of the D-Day Landing Beaches and the Battle Normandy‘, die vom Normandie Tourism herausgegeben wurde. (Bild: Ulsamer)

Nach 80 Jahren behält die Invasion vom 6. Juni 1944 ihre historische Bedeutung und sie gehört zur Erinnerungskultur in den beteiligten Staaten – gleich ob Sieger oder Verlierer. Die alliierte Landung in der Normandie läutete den Untergang der NS-Diktatur endgültig ein, und die Opfer der zumeist jungen Soldaten aus weiten Teilen der Welt waren somit nicht vergeblich. Wenn wir in Deutschland und Europa Jahrzehnte in Frieden und Freiheit leben konnten, dann verdanken wir dies auch den alliierten Truppen, die für die damals Lebenden und die nachfolgenden Generationen gegen das diktatorische NS-Regime kämpften. Besonders bitter ist es für mich, wenn ich auf einem Soldatenfriedhof in der Normandie stehe, und gleichzeitig Menschen in der Ukraine ihre Freiheit gegen russische Truppen verteidigen müssen, die Wladimir Putin in einen – durch nichts zu rechtfertigenden – Angriffskrieg geschickt hat.

Auf dem Sandstrand liegt ein gewaltiger Ponton.
Zu Beginn der Invasion waren alle französischen Häfen in deutscher Hand, weswegen es von größter Bedeutung war, den Nachschub über die eroberten Strandabschnitte abzuwickeln. Die Alliierten bauten innerhalb weniger Tage zwei künstliche Häfen aus in Großbritannien vorgefertigten Teilen. Der im Aufbau befindliche Hafen im amerikanischen Landungsbereich des Omaha Beach – vor Vierville-sur-Mer – wurde durch einen heftigen Sturm am 19. Juni 1944 zerstört, daher kam dem sogenannten ‚Mulberry B – so sein Codename ‚Maulbeere‘ – vor Arromanches umso größere Bedeutung zu. Innerhalb von 100 Tagen wurden ab dem 7. Juni 1944 über den schnell errichteten Hafen, auch als ‚Port Wilson‘ bezeichnet, 220 000 Soldaten und 530 000 Tonnen an Material sowie 39 000 Fahrzeuge an Land gebracht. Verschiedene Elemente der Kais usw. sind noch bei Arromanches im Meer zu sehen. Im Bild einer der Pontons, der bei Ebbe am Strand zu erreichen ist. (Bild: Ulsamer)

Die Invasion der Alliierten in der Normandie ist und bleibt ein wichtiges historisches Ereignis, dessen Bedeutung bis in unsere Zeit und in die Zukunft reicht. Die alliierten Truppen führten einen Kampf gegen die NS-Diktatur und für die Freiheit! Sie kämpften für unsere Freiheit! Ihr Opfer darf nicht in Vergessenheit geraten.

 

Gedenktafel in grauem Beton "1944 - 2004 Port-en-Bessin". Gezeigt werden auch die Fahnen der USA und des Vereinigten Königreichs.
Port-en-Bessin, einen heute sehr geschäftigen Fischereihafen, befreite ein britisches Marinekommando in der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 1944 von der deutschen Besatzung. Auf einer Gedenktafel heißt es im englischen Text: „Following the invasion of France, the town was occupied by German troops for four difficult years.“ In der französischen Fassung fehlt sogar der Zusatz ‚schwierig‘. Wir dürfen dankbar sein, wenn uns heute nicht alle Abscheulichkeiten vorgehalten werden, die unter der NS-Besatzung geschahen. Dies sollte uns Mahnung sein, immer und überall für die Freiheit und die Menschenrechte einzutreten. In Port-en-Bessin wurden täglich 1 000 Tonnen Treibstoff von größeren Schiffen mittels einer Leitung entlang des Kais an Land gebracht. Ersetzt wurde diese Lieferung u. a. durch eine durch das Meer verlegte Pipeline von der britischen Isle of Wight nach Cherbourg: ‚PLUTO – Pipe-Line Under The Ocean‘. (Bild: Ulsamer)

 

Blick auf das heutige Cherbourg. Im Hintergrund der Hafen und das Meer.
Dem Hafen in Cherbourg kam große strategische Bedeutung zu, da über ihn Truppen- und Materialtransporte direkt aus den USA abgewickelt werden sollten. Am 26. Juni 1944 hatten US-Truppen die Hafenstadt eingenommen und General Bradley betonte gegenüber den Einwohnern, die ihn willkommen hießen: “It is a pleasure to be able to say to the French people: here is the first large town that is returned to you.” Die deutschen Truppen hatten Teile der Hafenanlagen zerstört, doch ab Mitte Juli konnten Versorgungslieferungen bereits wieder abgewickelt werden. (Bild: Ulsamer)

 

Eine Brücke über einen Fluss. Links eine Konstruktion wie ein zweistöckiges Haus, die die Brücke hochheben kann.
Mit Lastenseglern landeten britische Soldaten in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 an der Brücke über den Bénouville-Kanal, die seit der Invasion den Namen Pegasus Brücke trägt. Diese wichtige Verkehrsverbindung liegt am östlichen Ende der Landungsstrände. Die Originalbrücke kann in einem nahegelegenen Museum besichtigt werden, die heutige Brücke für den Autoverkehr ist der historischen Vorgängerin nachempfunden. (Bild: Ulsamer)

 

An einem Kirchturm hängt eine Puppe in der Uniform eines US-Fallschirmjägers.
In der Nacht vor dem Sturm alliierter Truppen auf die Strände der Calvados-Küste landeten Fallschirmjäger im Hinterland, um wichtige Brücken und Verkehrsknotenpunkte zu sichern. US-Fallschirmjäger wurden vom Wind über das malerische Dorf Sainte-Mère-Église getrieben, wo sie von den deutschen Besatzern heftig beschossen wurden. John Steele von der 82. US-Luftlandedivision blieb am Kirchturm mit seinem Fallschirm hängen und wurde nach längerer Zeit gefangen genommen. Steele gelang jedoch die Flucht. Im US-Film ‚Der längste Tag‘, der 1962 in die Kinos kam, wurde sein Schicksal aufgegriffen, und dies machte Steele zu einer populären Person. „Auf dem Dach der Kirche hängt eine uniformierte Fallschirmjägerpuppe, zwar nicht mit einem grünen, sondern weißen Fallschirm, denn den sieht man besser; und nicht originalgetreu auf der Rückseite der Kirche, sondern Richtung Kirchplatz, wo die meisten Leute sind. Aber niemanden stört’s“, schrieb der deutsche Historiker und Journalist Guido Knopp in einem Beitrag für ‚normandie-tourisme‘. (Bild: Ulsamer)

 

Die Skulptur zeigt einen Seemann, der auf einem Sockel aus Stein steht. Links und rechts Fahnenstangen, jedoch ohne Flagge.
Über die großen an der Invasion beteiligten Truppenkontingente aus den USA, dem Vereinigten Königreich oder Kanada dürfen wir die Soldaten und Seeleute aus anderen Nationen nicht vergessen, die sich dem Kampf für die Freiheit angeschlossen hatten. Stellvertretend zeige ich hier ein Denkmal, das in der Normandie an die 800 dänischen Seeleute erinnert, die bei der Invasion mitwirkten. Über 30 Schiffe aus Dänemark, das am 9. April 1940 von deutschen Truppen besetzt worden war, gehörten zur Invasionsflotte. 24 von ihnen fuhren unter der dänischen Nationalflagge, dem Dannebrog. Insgesamt beteiligten sich 6 000 dänische Seeleute an alliierten Aktivitäten während des Zweiten Weltkriegs: Jeder Sechste sah seine Heimat nicht wieder. (Bild: Ulsamer)

 

Steinplatte mit Metallschildchen, die die Namen von Soldaten tragen. Ein kleiner weißer Gedenkkranz ist befestigt.
Nicht nur in der Normandie sind die zahlreichen Soldatenfriedhöfe unübersehbar, die an das Grauen des Kriegs erinnern. Aus dem üblichen Rahmen fällt der Friedhof bei der kleinen Gemeinde Huisnes-sur-Mer: „Die Ruhestätte ist das einzige deutsche Mausoleum in Frankreich“, so der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Die Informationstafel zitiert den Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer: „Die Soldatengräber sind die größten Prediger des Friedens.“ 11 956 Tote haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, darunter auch 20 Kinder. Adolf Hitler ließ eigene Soldaten und die der Gegenseite, aber auch Zivilisten ohne jede Rührung sterben. Vom Hügel dieser Kriegsgräberstätte haben die Besucher einen Blick auf den Mont-Saint-Michel. (Bild: Ulsamer)

 

Skulptur einer symbolhaften Frauenfigur.
Der chinesische Künstler Yao Yuan wurde während der Kulturrevolution gezwungen, in einer Fabrik zu arbeiten. Im kommunistischen China schuf er bereits verschiedene Großplastiken, die er dem Thema ‚Frieden‘ widmete. Zehn Meter hoch und acht Tonnen schwer ist seine World Peace Statue im französischen Grandcamp-Maisy, rund vier Kilometer entfernt von der Pointe du Hoc und dem Omaha Beach. Die Friedenstaube ist der jungen Frau aus Edelstahl inzwischen ‚entflogen‘, fast ein Sinnbild für die Situation in Europa nach dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Enthüllt wurde die Statue zum 60. Jahrestag der alliierten Landung an der normannischen Küste. Chinesische Künstler scheinen einen Hang zu monumentalen Skulpturen zu haben, denn auch die Bronzefigur von Karl Marx in Trier, entworfen vom chinesischen Staatskünstler Wu Weishan, ist etwas zu groß geraten. (Bild: Ulsamer)

 

Flaschen stehen in einem Supermarktregal. Sie tragen Bilder, die an die Invasionsstrände bzw. beteiligte Personen erinnern.
Getränke und Kekse als Teil der Erinnerungskultur in Supermärkten? Daran werden sich die Geister scheiden. (Bild: Ulsamer)

 

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Bei dieser Skulptur stürmen drei ganz in Schwarz gehaltene US-Soldaten aus einem dunkelgrauen Landungsboot dessen Klappe geöffnet ist. Hinter ihnen die Düne des Omaha Beach. Doort kaum noch zu erkennen ein weiteres Denkmal.Als die alliierten Truppen am 6. Juni 1944 ab 6.30 Uhr an den Stränden der Normandie an Land gingen, veränderten sie die politische Welt: Sie läuteten mit ihrem Mut das Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ein. Hinter dem Denkmal und der Düne liegt der Omaha Beach, an dem viele US-Soldaten ihr Leben verloren. (Bild: Ulsamer)

 

 

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