Vom Sparheimer zum Billionen-Schulden-Kanzler
Nach dem ‚Horrorkabinett‘ in Angela Merkels letzter Amtsperiode und der ‚Laienspielgruppe‘, die unter Olaf Scholz ihr Gastspiel abbrechen musste, macht sich nun Friedrich Merz auf den Weg ins räumlich ausufernde Kanzleramt. Natürlich muss jeder Politiker heute nicht nur mit den eigenen Parteioligarchen Kompromisse aushandeln, sondern mit dem oder den Koalitionspartnern. Längst sind die Volksparteien CDU und SPD ziemlich zusammengeschrumpelt, was die Ergebnisse der Bundestagswahl im Februar 2025 erneut deutlich machten: Die Union wurde zum Sieger gekrönt, gleichwohl mit dem zweitschlechtesten Ergebnis (28,6 %) seit ihrer Gründung, allein mit Armin Laschet kam die Union 2021 noch gerupfter ins Ziel. Die SPD hat mit 16,4 % ohnehin den Nimbus einer Volkspartei längst verspielt. Doch in den Sondierungsgesprächen konnten die Sozialdemokraten den so kämpferisch in die Wahl gezogenen Friedrich Merz über den Tisch ziehen. Statt dem von Merz propagierten Kassensturz und Einsparungen soll es reichlich ‚Sondervermögen‘ – sprich ‚Sonderschulden‘ – für die Infrastruktur und eine Aufhebung der Schuldenbremse für die Landesverteidigung geben, obwohl gerade die Schuldenbremse gewissermaßen als Reliquie von der Union vorangetragen wurde. Stolperte nicht die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP über weit geringere Finanztricksereien und CDU/CSU versprachen, sich für den Erhalt der Schuldenbremse in die Bresche zu werfen? Nun gut, so denkt wohl Friedrich Merz, die Zeiten haben sich geändert – und bei den Mitteln für die Landesverteidigung sehe ich das auch so -, aber die marode Infrastruktur war wahrlich vor dem Wahltag erkennbar. Doch da wollte Merz noch alle Herausforderungen mit Kürzungen, z. B. beim Bürgergeld, in den Griff bekommen. Wer handelt wie Friedrich Merz, der verspielt das gewährte Vertrauen bereits vor dem Einzug ins Kanzleramt. Im abgewählten Bundestag hofft Merz, mit Unterstützung von SPD und Grünen, die Verfassungsänderungen durchzubringen, indessen legt sich ausgerechnet Bündnis90/Die Grünen bisher quer, obwohl sie selbst eifrig für die Aufhebung der Schuldenbremse geworben hatten. Ein paar freundliche Worte und einige hundert Milliarden für den Umweltschutz allerdings könnten die Grünen sicherlich besänftigen.

Die Spendierhosen angezogen
Liest man das Ergebnis der Sondierungen, dann entpuppt sich das von Union und SPD erarbeitete Papier als eine Art Anleitung zum Geldausgeben. Kein Wunder, denn die Sozialdemokraten haben trotz zahlreicher Wahlniederlagen nicht akzeptiert, dass man die Probleme nicht löst und die Wähler nicht zurückgewinnen kann, indem man das Füllhorn mit freundlichen Gaben über das Land ausschüttet. Zu viele Bürger haben eben erkannt, dass ungebremstes Schuldenmachen gerade den nachwachsenden Generationen politische und finanzielle Spielräume raubt. „Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro bringen wir unser Land wieder in Form – durch Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit“, so die Sondierer von Union und SPD. Versprach nicht Friedrich Merz mit seiner CDU zuerst einen Kassensturz durchzuführen, danach Einsparmöglichkeiten auszuschöpfen und erst anschließend gegebenenfalls den Schuldentopf zu vergrößern?
Genauso lächerlich ist es, wenn CDU-Politiker einen Zusammenhang herstellen wollen zwischen der Abwendung des US-Präsidenten von Europa und der Sanierung unserer Infrastruktur. Kaum hatte der polternde Egomane Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus geworfen, da brauchten Brücken eine Sanierung, damit sie für Militärkonvois nutzbar bleiben. Dass die Infrastruktur in unserem Land mehr als ein Facelift benötigt, ist seit Jahren jedem klar, der in Deutschland unterwegs ist. Das trifft für Schienenwege und Straßen gleichermaßen zu. Die Brücken bröseln vor sich hin, die Schiffe stauen sich an kaputten Schleusenkammern, die Straßen werden immer löchriger und die Bahn rattert wie gewohnt unpünktlich über marode Schienen. Noch in ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 verkündete die Union: „Deutschland ist weltweit Vorzeigeland für seine Infrastruktur“. Nur wer durch eine rosa Brille schaut oder im Hubschrauber unterwegs ist, der konnte solchen Unfug erzählen. Eine Reise in unsere Nachbarländer macht schnell deutlich, dass es auch Straßen ohne Schlaglöcher und pünktliche Züge gibt. Sollte die Beseitigung infrastruktureller Mängel nicht, wenn man dem Kanzlerkandidaten Merz lauschte, durch Kürzungen an anderer Stelle finanziert werden? Wer die Sozialdemokraten ins Kabinettsbett locken möchte, der muss eben ein hohes Brautgeld ausloben. Doch so richtig passt diese Vorgehensweise nicht mit den Aussagen der Union im Wahlkampf zusammen. Friedrich Merz, Saskia Esken und Lars Klingbeil haben die Spendierhosen angezogen! Esken und Klingbeil scheinen zu meinen, man könne den Wahlkampf versieben und als SPD-Vorsitzende im Amt bleiben, Hauptsache es werden Billionen an Schulden gemacht.

Bauern, Gastwirte und Pendler beglücken
Die Bauern sollen die fragwürdigen Subventionen für den Agrardiesel zurückerhalten, die Gastwirte dürfen sich über einen Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent freuen, eine Steuerreform soll die „breite Mittelschicht“ beglücken, die Stromsteuer soll ermäßigt und die Pendlerpauschale erhöht werden, und natürlich hat die SPD den von ihrem kläglich gescheiterten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz propagierten Mindestlohn von 15 Euro fest im Blick. Geradezu absurd ist es, wenn Union und SPD betonen: „An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest.“ Denn anschließend heißt es: „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“ Welchen Sinn hat eine Kommission, wenn die zukünftige Bundesregierung bereits vorgibt, was sie zu tun hat? Neu ist eine solche Vorgehensweise nicht, denn 2022 erfolgte die Festlegung des Mindestlohns ebenfalls durch eine Vorgabe der Scholz-Regierung. Wenn schon die Bürokratisierung reduziert werden soll, dann kann man gleich die Kommission für den Mindestlohn abschaffen.

„Die Digitalisierung ist zentral für die Modernisierung des Staates – sie macht Verwaltung effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher“, so heißt es im Sondierungspapier. Jahr für Jahr die gleichen freundlichen Sätze, doch leider fehlt es am politischen Handeln. Und reichlich naiv klingt es in einem Gastbeitrag von Friedrich Merz für die ‚Welt am Sonntag‘, zumindest für mich, wenn er schreibt: „Einen Digitalminister werde ich beauftragen, Deutschland bei Digitalisierung und künstlicher Intelligenz an die Spitze zu führen.“ Sollte alles derart einfach sein? Dann mal los! Lese ich solche Sätze, frage ich mich, ob Friedrich Merz den dringend erforderlichen politischen Wandel einleiten kann. „Wir wollen uns jetzt einen Platz als führendes Digitalland erkämpfen“, betonte CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bereits 2018. Richtig vorangekommen auf diesem Weg ist unser Land seither aber nicht. Gleiches gilt für die EU, denn ständig neue Regelungen ersetzen nicht innovative Freiräume. Weitere Informationen finden Sie in meinem Blog-Beitrag ‚DSGVO: Wenn der Irrsinn zum Programm wird. Da lacht das EU-Bürokratenherz – und wir weinen‘. Sprüche klopfen hilft eben nur bedingt, wenn es an einer klaren Strategie und deren Umsetzung mangelt. Das gilt in gleicher Weise für sichere Renten, doch die Union hat sich längst von ihrer richtigen Aussage abgesetzt, das Renteneintrittsalter müsse bei einer steigenden Lebenserwartung erhöht werden. Im Sondierungspapier heißt es dazu lapidar: „Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente.“ Das erinnert mich an Norbert Blüms (CDU): „Die Rente ist sicher.“ Erstmals sagte das Blüm im Wahlkampf 1986 und wiederholte dies 1997 im Deutschen Bundestag, doch die damalige Regierung senkte das Rentenniveau von 70 auf 64 %. Heute heißt es im Sondierungspapier: „Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen. Deshalb sichern wir das Rentenniveau.“ Wie das bei einer alternden Bevölkerung dauerhaft ohne höhere Steuerzuschüsse bzw. steigende Beiträge möglich sein soll, bleibt offen.

Wenig Konkretes
Ob Union und SPD glauben, dass sie mit ihren wachsweichen Ankündigungen zur Eindämmung der irregulären Migration zu einer echten Lösung beitragen und zugleich der AfD Paroli bieten können, das weiß ich nicht. „Zurückweisung an den Staatsgrenzen: Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren.“ Kaum war diese Aussage zu Papier gebracht, da zankten sich Sozialdemokraten und Christdemokraten öffentlich über die Auslegung. Die SPD betonte, „Abstimmung“ bedeute eine Einigung auf das entsprechende Vorgehen mit den Nachbarn, Unionisten sahen „Abstimmung“ eher als Information über diese Vorgehensweise an. So wird das nichts werden, denn über Auslegungshindernisse ist auch die Ampel-Regierung mit gestolpert. Hatte nicht Friedrich Merz nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg betont: “Ich werde im Fall meiner Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“. Und Merz führte weiter aus, so ‚ntv‘, dies gelte „ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch”. Zwischen den Aussagen im Sondierungspapier und dem Wahlkämpfer Merz bieten sich breite Interpretationsspielräume, die wenig Gutes erwarten lassen. Wer durch abgestimmte Maßnahmen die Migration nicht in den Griff bekommt, der kann Brandmauern in jeder Höhe errichten, denn die AfD wird dann weiterwachsen und die Union der SPD auf dem Weg in die politische Bedeutungslosigkeit folgen. Das darf nicht passieren!

Union und SPD können ihr Billionen-Schulden-Paket nur noch in den letzten Tagen der alten Parlamentsmehrheiten durchbringen, wenn die Grünen zustimmen. Im neuen Bundestag wird es eine Zweidrittelmehrheit für Änderungen des Grundgesetzes lediglich dann geben, wenn sich Die Linke oder die AfD zu CDU, CSU, SPD und den Grünen gesellen. Die Mehrheiten in unserem Bundestag verschieben sich zu den politischen Rändern. Das kann uns alle nicht ruhen lassen! Sicherlich wäre es besser gewesen, die zusätzlichen Mittel für die Verteidigung unter Einschluss des Zivilschutzes, der Geheimdienste, der Hilfe für die Ukraine usw. nicht mit einem 500 Mrd. Schuldentopf für die Infrastruktur zu verbinden. Der von Merz und der Union zurecht skizzierte „Politikwechsel“ scheint bereits vor dem echten Start zu verpuffen, aber die von Olaf Scholz versprochene „Zeitenwende“ konnte dieser genauso wenig anstoßen. Ein Doppelschlag aus Schulden in Billionenhöhe ist für mich kein wirklicher „Politikwechsel“, denn auch die vergangenen Bundesregierungen hielten zu wenig von einer Ausgabenkritik und der Herausarbeitung klarer Prioritäten. Und vom Bürokratieabbau reden die regierenden Politiker seit Jahr und Tag, doch es fehlt an der Durchsetzung. Dementsprechend schreibt Armin Käfer in seinem Kommentar in der Stuttgarter Zeitung zurecht: „Dieses Wünsch-Dir-was-Programm ist ein Politikwechsel zurück zur alten Groko-Mentalität – für Merz ein Politikwechsel im Rückwärtsgang. Der Sozialstaat wird weiter ausgepolstert, statt ihn einer kritischen Revision zu unterziehen.“ Das gilt nach meiner Meinung auch für die vorgesehene Begriffswende, denn aus „Bürgergeld“ soll eine „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ werden. Begrifflich ist das ein Fortschritt, bei der Durchsicht des Sondierungspapiers dagegen kommen mir Zweifel, ob sich inhaltlich viel tun wird.

Dass ausgerechnet die von Merz angestrebte Regierung auf den ausgetretenen Pfaden von Angela Merkel vorankommen möchte, ist ein Treppenwitz der Geschichte: Sollte aus dem von Merkel einst verstoßenen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nun ein Kanzler werden, der ebenfalls glaubt, mit reichlich Geld politische Gräben zuschütten zu können? Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass auf Angela Merkel und Olaf Scholz ein Bundeskanzler Friedrich Merz folgt, der Deutschland gemeinsam mit einer innovativen Bundesregierung politisch voranbringt und eine solide Grundlage erarbeitet, um wirtschaftliche Prosperität mit innerer und äußerer Sicherheit zu verbinden, und dabei die soziale Sicherung und gerade auch den Klimaschutz nicht vernachlässigt. Die Worthülsen aus dem Sondierungspapier lassen einen Politikwechsel und die notwendige Aufbruchsstimmung zumindest augenblicklich nicht erkennen. Dieses Sondierungspapier schafft kein Vertrauen!
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Ob Friedrich Merz „Der Richtige zur richtigen Zeit ist“, das wird sich erst noch zeigen. Die Probleme unserer Zeit lassen sich ganz gewiss nicht mit einem ausgabefreudigen Sondierungspapier von Union und SPD lösen, das Merz zum Billionen-Schulden-Kanzler macht. Bisher lag die Verschuldung des Bundes nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei 1,7 Billionen Euro. Eine Billion Euro drauf zu packen, das ist ein tiefer Schluck aus der Verschuldungspulle. Mehr zu den im Bundestagswahlkampf eingesetzten Plakaten finden Sie in meinem Artikel ‘Wahlplakate: Blickfänger, Aufreger oder Polit-Müll? Wahlplakate behalten in Zeiten von Social Media ihre Bedeutung’. (Bild: Ulsamer)