Wenn die Brücken zerbröseln

Deutschland fällt bei Infrastruktur zurück

Wer den dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg sichern und die sozialen Sicherungssysteme stabilisieren möchte, der muss auf eine moderne und tragfähige Infrastruktur setzen. Dies ist zwar eine Banalität, trotzdem geriet in den letzten Jahren diese Einsicht in Vergessenheit – zumindest in den alten Bundesländern.

Das Zurückfallen hinter andere Staaten fiel in Deutschland lange Zeit nicht ins Gewicht, da wir von einer relativ hohen Basis ausgehen konnten. Aber Zahlen der EU belegen, daß wir bei der Qualität der Infrastruktur laut dem Global Competitiveness Index 2016/2017 hinter der Schweiz, den Niederlanden, Finnland, Dänemark oder Frankreich liegen, und selbst die USA liegen vor uns, ganz zu schweigen von Singapur oder Japan.

Wir zehren noch immer von der Substanz, die in zurückliegenden Jahrzehnten erarbeitet wurde. Somit verspeisen wir nicht nur unsere Zukunft, sondern auch die unserer Kinder und Enkel.

Höhere Investitionen notwendig

Auch die  vom McKinsey Global Institute erstellte Studie „Bridging global infrastructure gaps“ zeigt auf, daß in Deutschland zu wenig in eine zukunftsfähige Infrastruktur investiert wird: „Im Vergleich der G20-Staaten investiert Deutschland prozentual am wenigsten: Zwischen 2008 und 2013 waren es durchschnittlich nur 2,0 Prozent des BIP.“ Um die Lücke zu schließen, müßten wir den Anteil der Infrastrukturinvestionen um 0,4 % des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.

Sichtbar wird dies für jeden bei zerbröselnden Brücken, sei es an Autobahnen, Bundes- oder Landstraßen – und auch so manche Schule macht keinen taufrischen Eindruck.

In einem gewaltigen Kraftakt, den alle SteuerzahlerInnen über den Solidaritätszuschlag mittrugen, wurde seit der Wiedervereinigung nicht nur die am Boden liegende Wirtschaft in den neuen Bundesländern wieder aufgebaut, sondern in eindrücklicher Weise die marode Infrastruktur auf Vordermann gebracht. So hilft der Rennsteig Tunnel an der A 71 nicht nur bei der Durchquerung des Thüringer Walds, sondern ist auch der längste Autobahntunnel Deutschlands. Aber zahlreichen Talbrücken für Autobahnen und ICE-Strecken in den neuen Bundesländern oder Ortsumfahrungen für kleinste Gemeinden stehen einer Vernachlässigung der Infrastruktur in den alten Bundesländern gegenüber. Und dies gilt in besonderer Weise für wirtschaftlich schwächere Bundesländer und Kommunen.

Aufbau einer modernen Infrastruktur in den neuen Bundesländern ist gelungen. Bild: Ulsamer)

Die innerdeutsche Kluft wächst

Die wirtschaftlichen Möglichkeiten einzelner Kommunen und Landkreise, die Infrastruktur zu erhalten, klaffen immer stärker auseinander. Die höchsten Investitionen im Kommunalbereich bringen mit 469 Euro pro Einwohner Bayern und Baden-Württemberg mit 371 Euro auf. (DIW, 22.2.17) Während es der Landkreis München auf 724 Euro pro Einwohner bringt, kommt Wilhelmshaven in Niedersachsen auf gerade mal 35 Euro pro Nase. Bielefeld, Hagen, Duisburg oder Halle und Jena erreichten gar nur einen Platz unter den 10 schwächsten Kommunen.

Dank der hohen Finanzzuweisungen lagen die ostdeutschen Kommunen lange Zeit gut im Rennen, doch aus eigener Kraft können sie zumeist die geschaffene Infrastruktur nicht erhalten.

Von anderen lernen

In vielen Fällen liegt es aber nicht nur an zu geringen Mitteln, wenn wir bei der Infrastruktur schwächeln, sondern auch an ineffizienter Planung und Baubegleitung. Musterbeispiele sind sicherlich die schleppende Fertigstellung des Flughafen Berlin-Brandenburg oder die Elbphilharmonie, bei der die Baukosten auf das Zehnfache der geplanten Mittel explodierten. So fordert eine Studie, an der die Hertie School of Goverance, das DIW und Ernst & Young mitwirkten, daß wir in Deutschland von den Best Practice Beispielen in anderen Ländern lernen, klarere Priorisierungen der Projekte vornehmen und über Bürgerfonds neue Anlage- und Investitionschancen schaffen sollten. (Capital, 8.9.16)

Wenn die Schweiz beim Bau des Gotthard-Tunnels nicht nur im Zeitrahmen blieb, sondern auch noch das Budget einhalten konnte, dann sollte uns das zu denken geben. So haben die Züge auf Schweizer Seite freie Fahrt durch den 57 km langen Tunnel, der Ausbau der Zulaufstrecken im deutschen Wirkungsbereich läßt dagegen weiter auf sich warten.

Es gibt aber auch positive Beispiele: Die Gemeinde Immendingen im Landkreis Tuttlingen und das Land Baden-Württemberg arbeiten beim Ersatz von drei Brücken über die Donau und zwei Eisenbahnlinien vorbildlich zusammen. (Bild: Ulsamer)