Von Joachim Löw bis Angela Merkel

Müde Helden in Sport und Politik

Ein Kommentar zu fußballerischen Leistungen passt sicherlich nicht in meinen Blog, und ich selbst halte mich auch nicht für den zweiten Bundestrainer. Doch in Fußball und Politik erkenne ich in Deutschland derzeit viele müden Helden, und irgendwie erinnert mich der Jogi seit längerer Zeit an Angela. Der „Wir schaffen das“-Glaube ist verflogen und nicht nur Bundestrainer Joachim Löw hat mit dem Debakel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland den Tiefpunkt seiner Karriere erreicht, sondern die eiserne Kanzlerin Angela Merkel wankt – und dies nicht nur wegen der CSU. Uneinsichtigkeit, Sturheit und Realitätsverlust kennzeichnen beide Personen – die Politikerin und den Fußball-Strategen – und letztendlich ist es traurig, einen solchen Niedergang mit ansehen zu müssen.

Joachim Löw im Bild mit dem Zitat "Wir haben immer daran geglaubt."
„Wir haben immer daran geglaubt”, so Joachim Löw, nach dem Spiel gegen Schweden, „dass wir das Spiel noch drehen können. Dass es dann zu zehnt in der Nachspielzeit klappt, war sicher ein bisschen glücklich, aber es war ein Sieg der Moral, des nicht Nachlassens und an sich Glaubens.” Der Sieg war aber nicht dem beständigen Engagement der Mannschaft, sondern einem Zirkusstückchen von Toni Kroos zu verdanken. Fehlt es dem Bundestrainer an Einsichtsfähigkeit? (Bild: Screenshot, „Facebook”, 28.6.18)

Alte Strategien für neue Herausforderungen

Wenn heute zahlreiche Medien und noch mehr Fußballfans Joachim Löw raten, sich doch ernsthaft mit einem Rücktritt zu beschäftigen, so kann ich dies auch Angela Merkel nur empfehlen. Zu einem Zeitpunkt, an welchem neue Impulse fehlen und der Blick für die Wirklichkeit abhandengekommen ist, wird es Zeit für einen Wechsel. Zu lange haben sich Angela Merkel und Joachim Löw auf den Erfolgen früherer Zeiten ausgeruht und nicht gesehen, dass die Welt sich weiter bewegt: Man wird eben nicht Weltmeister im Fußball, nur weil man dies in 2014 mit einer gewaltigen Kraftanstrengung geschafft hat, und wenn die Helden von damals müde und satt geworden sind, dann hätte der Bundestrainer noch weit stärker auf neue Kräfte setzen müssen.

Selbstredend kann man im Sport nicht jeden Wettbewerb gewinnen und auch in der Politik geht es nicht ohne Fehler ab. Doch dann erwarte ich rechtzeitig ein Umsteuern. Aber Löw schien sich auch durch desolate Auftritte seiner Mannschaft vor der WM nicht irritieren zu lassen: Kritische Anmerkungen prallten ab, Ratschläge trafen auf taube Ohren. „Dieses in sich geschlossene Ein-Mann-System, steht für Selbstvertrauen, es macht aber auch unflexibel“, unterstreicht Peter Stolterfoht in der „Stuttgarter Zeitung“. Und erkennen wir nicht die gleichen Züge bei der Bundeskanzlerin? Angela Merkel ist sich oft selbst genug, und braucht dann weder Berater noch den Deutschen Bundestag: Entscheidungen zur Europapolitik diskutiert sie nicht mit den anderen Volksvertretern in unserem XXL-Bundestag, sondern verkündet sie in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“; die Ehe für alle kam nicht nach einer intensiven Debatte im Parlament, sondern einer Diskussionsrunde bei „Brigitte“.

Angela Merkel im grünen Blazer im Deutschen Bundestag: Migration kann Schicksalsfrage für Europa werden".
„Wir schaffen das”-Bundeskanzlerin Merkel hat die Zeit seit 2015 verstreichen lassen, ohne wirklich Ordnung in das Flüchtlingsthema zu bringen. Taten hätten längst auf die Worte folgen sollen. Durch das Aushebeln des Dublin-Abkommens hat Angela Merkel die europäischen Nachbarn verprellt, und noch mehr durch den Versuch, per Zwangsquoten die Flüchtlinge aus Deutschland in andere EU-Staaten umzusiedeln. Und wenn sie heute im XXL-Bundestag sagte „Migration kann Schicksalsfrage für Europa werden”, dann hat sie noch immer nicht verstanden, dass dies längst zutrifft. (Bild: Screenshot, „Facebook”, 28.6.18)

Stoische Behäbigkeit hat keine Zukunft

2014 stürmten die deutschen Spieler noch voll Engagement ins Endspiel, doch in diesem Jahr dominierte Behäbigkeit. Bei manchem Spieler hatte ich den Eindruck, er warte mit den Händen in den nicht vorhandenen Hosentaschen auf den Ball. Wäre es nicht schon vor der Reise nach Russland an der Zeit gewesen, Mesut Özil eine Absage zu erteilen? Und dies ganz gewiss nicht nur wegen seiner Wahlkampfunterstützung für den türkischen Präsidenten Erdogan. Auch Thomas Müller war als Pausenclown bei DFB-Pressekonferenzen deutlich dynamischer als auf dem Spielfeld. Immer lustig und gut gelaunt, wenn auch kein Grund für Heiterkeit bestand. Löw saß stoisch bei Interviews im Sessel und zumindest am Fernseher zweifelte ich daran, dass dieser Bundestrainer nochmals eine Mannschaft aufbauen und mitreißen kann. Hierzu die „Stuttgarter Zeitung“: „Die vom Trainer vorgelebte ‚Uns kann keiner mehr was‘-Attitüde hat auf die Mannschaft abgefärbt.“

Auch dies passt zur Bundeskanzlerin, denn mit stoischer Ruhe hinterlässt Merkel seit dem unkontrollierten Zuzug hunderttausender von Flüchtlingen den Eindruck, sie sei schon auf dem richtigen Weg: „Wir schaffen das“ und „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten“ versichert sie, obwohl die Realität etwas anderes sagt. Und wenn sie betont „Die politischen Grundsatzentscheidungen waren richtig“, dann könnte sie gut als Co-Trainerin bei Joachim Löw anfangen. Bei beiden Persönlichkeiten fehlt es an der Einsichtsfähigkeit! So meinte Löw nach dem verlorenen Spiel gegen die Mexikaner, er werde seine Pläne doch deshalb nicht umstoßen. Das könnte auch O-Ton Merkel sein. Stoische Behäbigkeit öffnet keine Chancen auf dem Weg in die Zukunft.

Die deutsche Nationalelf hat sich für die Medien aufgestellt. Manuel Neuer in rot, die Feldspieler in Weiß-Schwarz.
Die Nationalmannschaft wusste sich für die Medien in Szene zu setzen, doch beim Spiel fehlten Team- und Kampfgeist. Das ist so ein bisschen wie in der Bundesregierung. (Bild: Screenshot, „Facebook”, 28.6.18)

Teamgeist Mangelware

Joachim Löw ist es nicht gelungen, eine wirkliche Einheit aus seiner Mannschaft zu formen. So hatte ich oft den Eindruck, jeder Spieler hätte lieber einen eigenen Ball. Musterbeispiel war der Einsatz von Marvin Plattenhardt, der Engagement zeigte, doch seine Kumpels in der Nationalmannschaft nahmen ihn nicht so richtig zur Kenntnis. Die Altvorderen spielen eben lieber miteinander. Dies gilt in ähnlicher Weise für Angela Merkel und ihre Regierungsmannschaft. Von Teamgeist keine Spur, doch wie soll der auch aufkommen, wenn die Bundeskanzlerin ohne Rücksicht auf die alltägliche Lebenswirklichkeit ihren Kurs steuert? Kein Wunder, dass sie eine Schneise der Verwüstung durch die deutsche und europäische Politik gezogen hat. Und Beifall erhält sie immer weniger aus der Union, doch kann es das Ziel einer CDU-Kanzlerin sein, dass sich SPD, Grüne und selbst einige Linke für sie einsetzen? Aber dies ficht Tricky Angie nicht an, so lange sie im Kanzleramt sitzt.

Mit einzelnen Tricks kann man weder Politik machen noch die Weltmeisterschaft gewinnen. Nicht jeder möchte mehr über das Stöckchen springen, das ihm Angela Merkel hinhält, dies zeigt sich nicht nur bei Markus Söder und Horst Seehofer. Und die, die Merkel für ihre Kunststückchen noch Beifall spenden, haben oft nur Angst, dass sie bei Neuwahlen ihren Sitz im Reichstag verlieren könnten. Wenn auch Toni Kroos mit einem Tor in den letzten Sekunden der reichlich langen Nachspielzeit für einen Sieg über die schwedische Mannschaft sorgte, so macht eben auch ein noch so gelungenes Zirkus-Tor keinen Weltmeister. Und völlig unpassend meinte Löw auch nach diesem mehr als glücklichen Sieg gegen Schweden: „aber es war ein Sieg der Moral, des nicht Nachlassens und an sich Glaubens“. Da bin ich dann doch sprachlos! Einen ‚Sieg der Moral‘ habe ich mir doch gänzlich anderes vorgestellt.

Halbherzige Entschuldigung des DFB für Beleidigungen der Schweden durch DFB-Funktionäre.
Weniger Schadenfreude und mehr Leistungsbereitschaft hätte dem DFB-Team gut angestanden. Und die Entschuldigung war wohl ohnehin halbherzig oder wie ist Oliver Bierhoff zu verstehen? Er meinte: „Ich hatte Diskussionen mit den Schweden. So ein destruktives Spiel und Zeitspiel sollte nicht belohnt werden”. Eigentlich meint er damit doch, die Schweden seien schon selbst schuld und müssten sich beleidigen lassen. (Bild: Screenshot, „Twitter”, 28.6.18)

Schadenfreude kommt vor dem Fall

Völlig untragbar ist es, wenn sich Mitglieder des DFB-Teams – Funktionäre! – vor der Bank der Schweden aufbauen und diese mit eindeutigen Gesten und Sprüchen beleidigen. Wer sich mit einem Last-Second-Tor eine letzte Chance erhält, der sollte sich Schadenfreude verkneifen. Und genützt hat es auch nichts, denn Schadenfreude und Hochmut kamen auch bei der WM vor dem Fall. Die Teilnahme an internationalen Wettbewerben sollte der Völkerverständigung dienen und keinesfalls zu Empörung auf der einen Seite und halbgaren Entschuldigungen auf der anderen führen. Hooligans auf den Rängen bei Bundesligaspielen sind schon schwer zu ertragen, aber beleidigende Gesten von DFB-Funktionären sind dann der Gipfel! Und wenn Joachim Löw seine Fußballschuhe einpackt, dann kann er Oliver Bierhoff gleich mitnehmen. Dieser meinte nach dem Eklat vor der Bank der Schweden zwar: „Die Gefühle und Emotionen sind ein bisschen übergeschwappt.“ Doch dann poppte seine wirkliche Meinung an die Oberfläche: „Ich hatte Diskussionen mit den Schweden. So ein destruktives Spiel und Zeitspiel sollte nicht belohnt werden“. Eigentlich meint er damit doch, die Schweden seien schon selbst schuld und müssten sich beleidigen lassen. Da werden sich die Hooligans freuen, die ja auch ganz ungeschminkt ihren Hass auf andere ausleben.

Debatten sind Angela Merkel ein Gräuel, und so umgibt sie sich gerne mit Vertrauten, die nicht widersprechen, nach dem Motto ‚Wir wollen doch heute keinen Konflikt aufkommen lassen‘. Ähnlich scheint es auch bei manchen Mimosen in der Nationalmannschaft und beim DFB zu sein: Kaum hatte sich Mats Hummels nach dem Mexiko-Spiel kritisch über das Verhalten einiger Mitspieler geäußert, da hing der Haussegen schief, doch es folgte keine Änderung bei Einstellung und Engagement. Weiter so – das war allerdings deutlich zu wenig. Beim Spiel gegen Südkorea haben wir das alle sehen können und dies wird auch jeden Tag in Berlin bestätigt!

Bild mit Nationalmannschaft im Stadion. DFB entschuldigt sich für Ausscheiden in der Vorrunde der Weltmeisterschaft.
Statt einer Entschuldigung bei den Fans nach dem Ausscheiden aus dem Turnier, hätte ich mir mehr Engagement auf dem Platz und eine neue Taktik von Bundestrainer Löw gewünscht. (Bild: Screenshot, „Facebook”, 28.6.18)

„Wir schaffen das“ – so nicht

Wer die eigenen Fehler zu spät erkennt und keine Schlussfolgerungen zieht, der geht in Sport und Politik unter. Dann ist es aber auch Zeit für neue Personen: Und dies trifft auf Angela Merkel ebenso zu wie auf Joachim Löw. Ein Rücktritt in Ehren ist allemal besser als der Versuch, sich ins nächste Spiel oder die nächste Legislaturperiode zu schleppen. Die Unbeweglichkeit auf dem grünen Rasen war augenscheinlich, und leider ist es unter einer Bundeskanzlerin Merkel auch in der Politik nicht besser. Die jetzt in Berlin ausgebrochene Emsigkeit in Sachen Flüchtlingspolitik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Angela Merkel von weiten Teilen der deutschen Bevölkerung und vielen unserer Nachbarn angelastet wird, dass sie ohne jede Abstimmung mit den anderen EU-Staaten oder auch dem Deutschen Bundestag die ‚Grenzen‘ öffnete und das Dublin-Abkommen aushebelte.

Erklärung der Bundesregierung in Facebook-Post mit dem Titel "Migration in Europa. Hier müssen wir es besser machen".
Die Bundeskanzlerin will bis heute nicht eingestehen, dass sie mit ihrer Flüchtlingspolitik gescheitert ist und eine echte Kurskorrektur auch umgesetzt werden muss. Mit Allgemeinplätze wie „Grenzschutz stärken” ist doch niemand gedient, denn was machen dann die neu rekrutierten Frontex-Polizisten mit aufgegriffenen Flüchtlingen? Das ist doch die zentrale Frage. Und gleiches gilt für die „Sekundärmigration”, die nun endlich besser geordnet werden soll. Wer wie Italien und Griechenland als erste Anlaufstelle für Flüchtlinge dient, der möchte sicherlich auch keine Asylanten zurücknehmen, die in den genannten Ländern bereits registriert wurden und nun an der deutschen Grenze abgewiesen werden sollen – zumindest nach Meinung der CSU. Auf die engere Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern – wenn wir mal von der Türkei absehen – warte ich bisher auch vergeblich, und der Kampf gegen kriminelle Schlepperbanden kommt ebenfalls nicht voran. (Bild: Screenshot, „Facebook”, 28.6.18)

Und zu allem Überfluss will Angela Merkel bis heute nicht eingestehen, dass sie kein Problem gelöst, sondern nur neue geschaffen hat. Joachim Löw ähnelt ihr auch in diesem Fall und beim „Wir schaffen das“, wie er vor der Europameisterschaft 2016 hinausposaunte. Mit Sprüchen kann man aber – leider – keine Probleme lösen.

Es ist an der Zeit, die Führung der deutschen Nationalmannschaft und der Bundesregierung neu zu besetzen. Wir brauchen Realitätssinn, echten Teamgeist, Engagement, das von Herzen kommt, neue Ideen – und echte Chancen für jüngere und unverbrauchte Kräfte in Fußball und Politik.

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