Die Insekten brauchen unsere Hilfe – und wir brauchen die Insekten

Artenschutz ist eine Aufgabe für uns alle

Manchmal mag ich es kaum glauben, aber bei immer mehr Menschen scheint sich doch eine wichtige Einsicht durchzusetzen: Die Insekten werden weniger, und wir müssen endlich handeln. Natürlich gibt es auch weiterhin Hauseigentümer, die sich mit einem Schottergarten umgeben und Hobbygärtner, die zu Roundup greifen, aber bei so manchem Nachbarn lösen sie zumindest Stirnrunzeln damit aus. Und das erfolgreiche ‚Volksbegehren Artenvielfalt: Rettet die Bienen!‘ hat 1,75 Millionen Bayern zur Unterstützung angeregt. Markus Söder, kaum im Amt des Ministerpräsidenten, erklärte für seine Koalitionsregierung aus CSU und Freien Wählern: „Wir nehmen den Text des Volksbegehrens eins zu eins an.“ Auch daraus lässt sich ablesen, dass der bayerische Regierungschef die Wucht dieser Bewegung erkannt hat. Aber neben den Mitbürgern, die lieber in einem ‚Steinbruch‘ leben, müssen auch noch zahllose Landwirte davon überzeugt werden, dass wir mit dem Verschwinden der Insekten unsere eigene Existenz gleichfalls aufs Spiel setzen. Dabei sind der Deutsche Bauernverband und die EU-Agrarförderung die härtesten Brocken, die den Weg zu einer Verbesserung der Lage für Insekten und Vögel versperren.

Hummel auf einer gelben Blüte. Die Hummel selbsthat in ihren feinen Härchen zahlreiche Pollen hängen.
Diese Hummel war besonders eifrig unterwegs – wie die gelben Pollen belegen – und hat auch genügend Blüten gefunden. Aber zunehmend werden die Blühpflanzen weniger, und die Insekten sind bedroht durch die industrielle Landwirtschaft, Flächenverbrauch, eine ausgeräumte Landschaft und Schottergärten, aber auch die chemische Keule in Parks und bei Hobbygärtnern. (Bild: Ulsamer)

Aufbegehren gegen die chemische Keule

In Baden-Württemberg ist nun der Startschuss für ein weiteres Volksbegehren gefallen, denn auch in diesem von Grünen und CDU regierten Bundesland gehen Insekten dramatisch zurück, und wo summende und krabbelnde Tierchen fehlen, da finden auch die Vögel nicht genügend Nahrung für die Aufzucht ihrer Jungen. Auf EU-Ebene macht sich die in Bayern bereits mit ihrem Volksbegehren erfolgreiche ÖDP – angeführt von Agnes Becker aus Bayern und Manuela Ripa aus dem Saarland – daran, mit der Europäischen Bürgerinitiative ‚Wir retten die Bienen‘ 1 Million Unterschriften zu sammeln, damit sich die Europäische Kommission mit diesem Anliegen befassen muss. Mit diesen Initiativen bekommen die angestammten Natur- und Umweltschutzorganisationen neue Mitstreiter: NABU, BUND, WWF oder der Landesbund für Vogelschutz in Bayern und viele kleinere Organisationen kämpfen seit Jahren für den Schutz der Insekten und Vögel. Und ganz folgerichtig gehören auch in Baden-Württemberg NABU und BUND zu den Förderern des Volksbegehrens, das ‚proBiene‘ gestartet hat.

Die industrialisierte Landwirtschaft mit Einheitsfluren und der chemischen Keule, aber auch die Zersiedelung der Landschaft und die bereits erwähnten Schottergärten in den Wohngebieten bedrohen unsere Insekten. Viel zu lange wurde auch in städtischen Parks und Grünanlagen oder bei Unternehmen auf den ‚adretten‘ Kurzhaarschnitt beim ‚Grün‘ mehr wert gelegt als auf den ökologischen Nutzen. Immer häufiger werden Wildbienen, Hummeln, Libellen und Schmetterlinge zur Seltenheit, und wenn das Futterangebot schwindet, dann machen sich immer mehr Vogelarten rar. Selbst dem Regenwurm geht mancherorts bereits die Nahrung aus! Wenn wir die Artenvielfalt bei Insekten und Vögeln erhalten wollen, dann muss gehandelt werden.

In einer grünen Wiese ragen über die Gräser die gelben Blüten des Hanenfusses hinaus.
Wenn bunte Wiesen zur Seltenheit werden, freut man sich schon am Hahnenfuß. (Bild: Ulsamer)

Ökologische Kriterien in den Mittelpunkt rücken

Längst geht es nicht mehr nur um eine seltene Schmetterlingsart oder eine bestimmte Wildbiene, sondern um unsere Insekten als solche. Und wenn dies auch von manchen Kritikern ins Lächerliche gezogen wird, wenn wir nicht irgendwann in chinesischer Manier mit Entenfedern und gesammelten Pollen die Nahrungspflanzen selbst bestäuben wollen, dann sollten wir schleunigst aktiv werden. Damit wird klar, dass es nicht nur um den Naturschutz geht, sondern auch um die langfristige Leistungsfähigkeit von Landwirtschaft und Gartenbau.  Für 200 Obstbäume sollen 10 chinesische Arbeiter bei der Bestäubung 10 Tage arbeiten. Schon dieses Beispiel belegt, dass dieses Verfahren höchstens in einem Niedriglohnland mit großer Bevölkerungszahl in Frage kommt. Wir sollten uns auch nicht nur auf Honigbienen verlassen, die von ihren Imkern gehegt und zum Bestäubungseinsatz gefahren werden, denn diese könnten in Zukunft noch stärker durch eingeschleppte Parasiten angegriffen werden. Damit sollte für jeden denkenden Menschen klar sein, wir müssen die wilden Verwandten der Honigbienen – und alle Insekten – besser schützen.

Wenn wir die Biodiversität erhalten wollen, dann müssen wir umfassender als bisher vorgehen: Der ökologische Landbau muss ausgeweitet und die konventionelle Agrarproduktion stärker nach ökologischen Maßstäben erfolgen. Die Agrarförderung darf daher nicht mehr nach der Fläche erfolgen, sondern muss weit mehr als bisher an ökologischen Kriterien ausgerichtet werden. Wo dies noch nicht gegeben ist, muss ein Umbruchverbot durchgesetzt werden, damit wir keine weiteren Wiesen verlieren. Aber auch die fortschreitende Intensivierung der Nutzung von Mähwiesen und Weiden muss beendet werden: Wenn Wiesen statt ein- bis zweimal im Jahr heute bis zu sechsmal gemäht werden, dann gelingt dies nur mit der Zufuhr von zu viel Dünger, und am Ende kommt es zu einer Reduzierung der Pflanzenvielfalt.

Wenn Kleingewässer noch immer verschwinden oder als Insel in einem trostlosen Umfeld ihr Dasein fristen, dann fehlen diese Wasserflächen für die Pflanzen- und Tierwelt. Hecken, Feldgehölze, Lesesteinhaufen oder Totholz müssen Bestandteil unserer Landschaft bleiben oder wieder werden. Und einzelne Biotope müssen wie Trittsteine miteinander verbunden werden, wenn sie einen Sinn machen sollen. Dies alles sind auch völlig richtige Forderungen der verschiedenen Bürgerinitiativen, Volksbegehren und Naturschutzverbände.

Eine filigrane Libelle mit blauen Flügeln schwebt über der Donau.
Libellen brauchen Bäche und Kleingewässer. Aber auch eine Vielzahl anderer Tiere ist auf Wasser angewiesen, wenn sie überleben wollen. (Bild: Ulsamer)

Sterben die Insekten aus?

Wir alle erleben seit Jahren den katastrophalen Schwund der Insekten in Deutschland und anderen europäischen Staaten. Dies belegen Wanderungen durch Wiesen und Wälder: Immer häufiger fehlen die spezifischen Insekten. Auch an Seen, Bächen und Kleingewässern muss man Libellen zumeist schon suchen. Selbstredend kann sich die Wissenschaft irren, können Naturschützer mit ihren Analysen falsch liegen, und nicht jeder hysterische Alarmschrei ist berechtigt, aber wenn nahezu einhellig von sachkundigen Personen und Organisationen ein Rückgang von Insekten in Deutschland diagnostiziert wird, dann wird die Frage doch erlaubt sein, welche Zusammenhänge es mit der Landnutzung gibt. Der Entomologische Verein Krefeld, der sich seit über 100 Jahren der wissenschaftlich orientierten Insektenkunde widmet, hat in einer Langzeitstudie von 1989 bis 2016 einen Rückgang der Biomasse von Fluginsekten von über 75 % festgestellt – und dies in über 60 Naturschutzgebieten. Ganz folgerichtig ist der Schwund an Insekten auf landwirtschaftlichen Monokulturen noch dramatischer. Imker haben mir immer wieder bestätigt, dass üppig gespritzte Mais- und Rapsfelder längst zu Todeszonen für Bienen geworden sind.

Der NABU Baden-Württemberg hat über 20 Studien zusammengetragen, die allesamt den Schwund an Insekten belegen. Zu gleichen Ergebnissen kommen Langzeitbeobachtungen vom Rand der Schwäbischen Alb. Seit Jahrzehnten wird dort insbesondere der Vogelzug beobachtet, aber die Forschungsstation am Randecker Maar widmet sich auch wandernden Insekten. „Früher sind hier im Beobachtungszeitraum jeden Tag weit mehr als 1 000 Kohlweißlinge vorbeigeflogen“, unterstrich Wulf Gatter in der Stuttgarter Zeitung, und er fuhr fort: „Wenn es jetzt noch 20 sind, dann war es ein guter Tag.“ Und statt 400 Tagpfauenaugen flattert jetzt im gleichen Zeitraum nur noch ein ‚verirrtes‘ Exemplar dieser Schmetterlingsart herum – beide gehören ja kaum zu den ‚Exoten‘ unter den Faltern.

Ein Tagpfauenauge umgeben von grünen Bodenpflanzen. Seine farbigen 'Augen' auf den Flügeln sind deutlich erkennbar.
Nicht nur das Tagpfauenauge wird immer seltener: Fluginsekten sind in weiten Regionen um 75 % zurückgegangen, und dies nicht nur in der landwirtschaftlich intensiv genutzten Feldflur, sondern auch in Naturschutzgebieten. Insektizide, Herbizide, Pestizide, Neonics usw., die chemische Keule schlägt noch immer zu. Aber Glyphosat & Co. killen nicht nur Acker(un)kräuter im Agrarbereich, sondern auch in Parks und Gärten. (Bild: Ulsamer)

Weltweiter Rückgang der Insekten

Das Insektensterben ist kein rein europäisches Phänomen. So haben australische Autoren 73 Studien ausgewertet, in denen es um Insekten ging und ihre Zusammenfassung in der Zeitschrift ‚ Biological Conservation‘ veröffentlicht: Der Rückgang der Kerbtiere lasse sich weltweit feststellen, und deren Biomasse habe jährlich einen Schwund von 2,5 Prozent. Besonders dramatisch verlaufe der Rückgang bei Schmetterlingen und Bienen, und auch Wespen und Ameisen seien – wie der Dungkäfer – elementar betroffen.

Ein Ameisenhügel aus Tannen- und Fichtennadeln, auf diesem hellbraunen Berg befinden sich dunklere 'Flecken' - gebildet aus Ameisen.
Weltweit belegen Studien den Rückgang der Insekten. Auch Ameisen werden zunehmend bedroht, so eine Analyse australischer Wissenschaftler. Wenn Sie Ameisen an noch kühlen Frühlingstagen an ihren Hügeln in dichten Ballungen sehen, dann deutet dies auf deren kluges Verfahren hin, sich an der Sonne zugewandten Stellen aufzuwärmen, und dann die Wärme mit ihren Körpern ins Innere zu transportieren: Die Ameisen lassen sich also aufwärmen, eilen dann in ihren Bau, geben dort die Wärme ab, und dann geht’s wieder raus. (Bild: Ulsamer)

Zu den zentralen Ursachen gehören nach dieser Studie der Verlust an Lebensraum durch die intensive Landwirtschaft, sowie die Ausdehnung von Städten und Verkehrswegen. Düngemittel und Pestizide – dazuhin Neonikotinoide – gefährden das Überleben von Insekten. Francisco Sánchez-Bayo vom Sydney Institute of Agriculture kommt in dem Report zu dem Schluss, dass alles getan werden müsse, um den Insektenschwund aufzuhalten, denn er befürchtet ansonsten einen „catastrophic collapse of nature’s ecosystems“.

Traktor beim Versprühen chemischer Hilfsmittel. Im Hintergrund ein mahnendes weißes Steinkreuz.
Fluginsekten sind in weiten Regionen um 75 % zurückgegangen, und dies nicht nur in der landwirtschaftlich intensiv genutzten Feldflur, sondern auch in Naturschutzgebieten. Insektizide, Herbizide, Pestizide, Neonics usw., die chemische Keule schlägt noch immer zu. Aber Glyphosat & Co. killen nicht nur Acker(un)kräuter im Agrarbereich, sondern auch in Parks und Gärten. (Bild: Ulsamer)

Sprühnebel: Bienen im Blindflug

„Etwa 60 Prozent aller Naturschutzgebiete sind hierzulande kleiner als 50 Hektar“, so schreibt der NABU. „Die Gebiete werden durch ihre Insellage und durch ihre langen Außengrenzen stark von ihrer Umgebung beeinflusst – äußere Einflüsse, wie der Eintrag von Pestiziden oder Nährstoffen (Eutrophierung) können nicht ausreichend abgepuffert werden. So liegt es nahe, dass durch Praktiken der intensiven Landwirtschaft der Erhaltungszustand vieler Schutzgebiete massiv beeinträchtigt wird – und nicht zuletzt der von Insekten.“  Weder großflächige Mais- noch Rapsfelder sind ideale Bienenweiden, sondern eher ein Grund für ihren Absturz – und dies im wahrsten Sinne des Wortes.

Zu den zentralen Problemen, die unseren Insekten ihr Dasein verleiden, gehören der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden als Teil der industriellen Landwirtschaft, und zusätzlich die großflächige Mahd. Mit modernen Geräten können auch 20 Hektar große Wiesen an einem Tag gemäht werden. Wenn dann noch das Gras umgehend als Winterfutter abtransportiert wird, landen viele Insekten in den mit Kunststoffbahnen verpackten Grasballen. Diejenigen, die sich zuerst noch hatten retten können, droht ein ungutes Schicksal: Sie finden keinen Unterschlupf und werden z.B. von Krähen verspeist. Gehen Sie doch mal über eine solche großflächig gemähte Wiese! Sie werden sich wundern, wie wenige Grashüpfer dort wirklich noch unterwegs sind. Auch vor der Mahd erschrecke ich immer wieder über die geringe Vielfalt an Insektenarten auf solchen Wiesen. Und wann haben Sie denn zuletzt ein Heupferd gesehen?

Getreidefeld mit zahlreichen roten Mohnblumen. Im Hintergrund einige Bäume.
Farbenfrohe Äcker – wie hier in Brandenburg – und Wiesen weichen immer mehr Monokulturen ohne Wert für Bienen und Schmetterlinge. (Bild: Ulsamer)

Einzelne Blühstreifen sind keine Lösung

Über Jahrzehnte wurde das Grünland zugunsten von Ackerflächen vermindert, und damit verschwanden Magerwiesen, die noch eine gewisse Vielfalt an Blühpflanzen auszeichnete. Brachflächen sind – nicht zuletzt durch den erhöhten Flächendruck – gleichfalls verschwunden, Blühstreifen an Ackerflächen sind inzwischen ebenfalls Mangelware. Einzelne Blühstreifen sind im Übrigen nicht allein die Lösung des Problems, da diese eher mit überdimensionalen Blumenbeeten zu vergleichen sind, die zwar kurzfristig das Nahrungsangebot erhöhen, aber ohne überjährige Pflanzen, die Schutz bieten, sind sie dauerhaft nicht zielführend. Es muss auch der Verinselung entgegengewirkt werden: Die ökologischen Rückzugsbereiche müssen Trittsteine eines Systems werden, das die Wanderung der Insekten und anderer Tiere erlaubt. Ein zu hoher Stickstoffeintrag bedroht jedoch auch die Entwicklung der naturnahen Flächen. Eine Überweidung trägt ebenfalls zum Rückgang der Insekten bei. Nicht vergessen dürfen wir bei nachtaktiven Insektenarten die Lichtverschmutzung in unseren städtischen Bereichen, die sie nicht selten das Leben kostet.

Seit vielen Jahren fahren wir immer wieder mal durch Frankreich, Großbritannien und Irland, oder in den Süden Europas, und überall tritt das gleiche Phänomen auf: Auch nach vielen Kilometern ist die Windschutzscheibe noch sauber, denn Insekten finden ihr trauriges Ende kaum mehr am Fahrzeug. Somit ist leicht erkennbar, dass der Insektenschwund in den anderen Regionen ebenfalls voranschreitet, die durch die EU-Agrarpolitik ‚gesegnet‘ sind.

Eine dunkle Rauschschwalbe reckt ihren Kopf mit geöffnetem Schnabel aus dem an der Wand gebauten Nest heraus.
Schwalben haben Hunger und brauchen Fluginsekten! Und natürlich auch ein Plätzchen zum Nisten – wie diese Rauchschwalben in einem Kuhstall. (Bild: Ulsamer)

Ohne Insekten darben auch die Vögel

Natürlich gehen nicht nur die Insekten zurück, sondern Vögel finden ebenso immer weniger Nahrung. Lassen wir nochmals den NABU zu Wort kommen: „Wir beobachten seit Jahren in Deutschland und Europa stark zurückgehende Vogelbestände vor allem im Agrarbereich. In Deutschland ist, wie eine aktuelle Untersuchung des NABU zeigt, in den letzten zwölf Jahren die Anzahl der Brutvogelpaare um 15 Prozent zurückgegangen. Mit Sicherheit sind diese Einbußen auf den Rückgang der Insektenfauna zurückzuführen; fast alle betroffenen Arten füttern zumindest ihre Jungen mit Insekten. Dieser erneute ‚stumme Frühling‘ ist in vielen Regionen unseres Landes traurige Wirklichkeit geworden.“ Das gleiche Problem gilt auch für die nachtaktiv Insekten jagenden Fledermäuse: Ihr Schutz bringt wenig bis gar nichts, wenn sie aus dem Winterquartier herausfliegen und mangels Nahrung verhungern. Wasser- und Teichfledermaus, die ihre Nahrung direkt über der Wasseroberfläche fangen, tun sich ebenso schwer, wenn die Wasserflächen reduziert oder die kleineren Gewässer stark verunreinigt werden.

Selbst Feldhasen oder Igel finden immer weniger Lebensräume in einer ausgeräumten Landschaft, in der viele Hecken nicht nur großflächigen, einheitlichen Feldern, sondern z.B. auch dem Weinbau zum Opfer gefallen sind. Es grenzt dann ans Lächerliche, wenn das Fehlen von Rebhühnern und Feldhasen den Füchsen zugeschoben und zur großen ‚Fuchs-Jagd‘ geblasen wird. Nicht nur die Flurbereinigung hat ihren Teil zu immer größeren Flächen beigetragen, die mit großen Maschinen bearbeitet werden, sondern auch die EU-Agrarförderung.

Ein Schwarzkehlchen mit dunklem Kopf und weißem Streifen als Übergang zum braunen Körper. Der Vogel sitzt auf einem Betonpfahl und hat ein Insekt im Schnabel.
Das Schwarzkehlchen hatte Fang-Glück und ein kleines Insekt Pech. Insekten und Vögel werden in der Europäischen Union immer seltener, doch die EU ist bisher nicht in der Lage, die Agrarförderung an ökologischen Kriterien zu orientieren. Der gelebte Naturschutz braucht einen höheren Stellenwert in der EU und in den Mitgliedsstaaten. (Bild: Ulsamer)

Das fadenscheinige grüne Mäntelchen der EU-Agrarpolitik

Auch wenn Vertreter des Deutschen Bauernverbands weder durch das Insektensterben noch den Schwund im Vogelreich zu beeindrucken sind, immer mehr Menschen geht dieser Verlust an Artenvielfalt nahe. Dennoch scheint die Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der Europäischen Union – zumindest aus Sicht der Natur – zum Flopp zu werden: Statt mehr ‚Grün‘ in den Subventionsrichtlinien droht das Gegenteil! Der zuständige Agrarausschuss hat sich bisher nicht für eine ökologische Neuausrichtung für die 2020 beginnende Förderperiode ausgesprochen – ganz im Gegenteil. Bezeichnend war es, dass Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident nicht nur in seiner letzten Rede zur Lage der Europäischen Union (EU) nicht auf die Neugestaltung der Agrarrichtlinien einging. Die Lobbyisten der Agrarindustrie werden alles daransetzen, dass die Geldflüsse in die industrielle Landwirtschaft nicht versiegen, auch wenn das Subventionssystem gerade kleinere bäuerliche Familienbetriebe benachteiligt.

Wenn unsere Gärten und Parks nicht zur Arche Noah für Insekten und Vögel, vielleicht auch für Igel, Eichhörnchen oder Feldhasen werden sollen, dann brauchen wir eine Neuausrichtung der industriellen Landwirtschaft: Die von der EU per Gießkanne verteilten fast 60 Mrd. EURO jährlich an Agrarsubventionen plus weitere Förderung der Staaten und Regionen müssen neu fokussiert werden, wenn wir Insekten und Vögeln eine wirklich signifikant verbesserte Lebensgrundlage erhalten wollen. Das ist nicht nur ein Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren, sondern trägt auch zu einer gesunden Umwelt für uns Menschen bei. Die beständige Intensivierung der Landwirtschaft muss gestoppt und umgekehrt werden, denn sie benötigt als Grundlage einen ‘Dauernebel’ von Insektiziden und Pestiziden. Und das Nitrat aus der Gülleflut verunreinigt unser Trinkwasser!

Folgen wir den Angaben des Europäischen Rechnungshofes, dann wird deutlich, wie dünn das grüne Mäntelchen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ist: „Rund 72 % der GAP-Haushaltsmittel werden für Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe aufgewendet, dienen also der Einkommensstützung.“ Und auch die bisherige Neuausrichtung für das Jahr 2020 sieht der Rechnungshof kritisch: „Die Prüfer stellen fest, dass sich viele der vorgeschlagenen politischen Optionen nur unwesentlich von der derzeitigen GAP-Regelung unterscheiden. Insbesondere würde es sich beim größten Teil des Haushalts nach wie vor um Direktzahlungen an Landwirte auf der Grundlage einer bestimmten Anzahl eigener oder genutzter Hektarflächen handeln. Mit diesem Instrument können jedoch zahlreiche Umweltbelange nicht berücksichtigt werden, und es stellt auch nicht die wirtschaftlichste Art und Weise dar, um ein angemessenes Einkommen zu unterstützen.“ Solche Aussagen lassen für die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik leider wieder nichts Gutes erwarten.

Riesige Schotterfläche als Garten.
Schottergärten rauben nicht nur dem Regenwurm die Lebensgrundlage, sondern tragen auch eine Mitschuld am Schwund bei Insekten und Vögeln. (Bild: Ulsamer)

Schottergärten und Glyphosat-Wüsten zerstören die Artenvielfalt

Insekten machen sich in der kalten Jahreszeit natürlich rar, und viele gefiederte Freunde sind in südlichere Gefilde entfleucht. Die Vögel, die in Deutschland bleiben, können über den Winter hoffen, dass wir Menschen sie bei der Futtersuche mit allerlei Nahrhaftem unterstützen. Doch auch im nächsten Frühjahr und Sommer darben Insekten und Vögel in unserer industrialisierten Landschaft, und ihre Zahl wird kleiner.

Wir brauchen eine Neuorientierung im landwirtschaftlichen Bereich, damit vielfältige Blühpflanzen vermehrt werden und überjährige Pflanzensäume den Insekten und Vögeln Unterschlupf und Nahrung bieten. Gerade auch in unseren Städten ist es an der Zeit, dass nicht die letzte Baulücke mit einem Betonklotz geschlossen wird. Dies können wir uns besonders wegen des Klimawandels nicht mehr leisten. Und wer aus seinem Vorgarten einen ‚Steinbruch‘ macht, der versündigt sich an der Natur: Schotter pur trägt zum weiteren Artensterben bei.

Roter Marienkäfer mit schwarzen Punkten und schwarzem Kopf auf einer grünen Distel.
So mancher flugfähige Käfer – man denke nur an den Maikäfer – wurde immer wieder bekämpft. Da hat es der Marienkäfer natürlich besser: Er verzehrt mit Vorliebe Blatt- und Schildläuse. Und nett anzusehen ist er auch noch und wurde so auch zu einem Glückssymbol. (Bild: Ulsamer)

Gezwitscher und Summen darf nicht verstummen

Es ist längst überfällig, den Glyphosat-Nebel zu beenden und die Nitratverseuchung von Wiesen, Äckern und Grundwasser einzudämmen. Wir müssen das leise Verschwinden von Wildbienen und Schmetterlingen jetzt stoppen. Und wer auf den Gesang unserer gefiederten Freunde nicht verzichten möchte, der muss der Zerstörung unserer Landschaft durch Zersiedelung und industrielle Landwirtschaft Einhalt gebieten.

Ich hoffe sehr, dass das ‚Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die Bienen!‘ in Baden-Württemberg dem Vorbild in Bayern folgen kann und gleichfalls zum Erfolg wird! Eigentlich würde ich mir wünschen, dass unsere Parlamentarier von den Kommunen über die Landtage und den Bundestag bis zum Europaparlament auch von sich aus mehr zum Schutz von Insekten und Vögeln tun. Summende Bienen und Hummeln, flatternde Schmetterlinge und der Gesang unserer gefiederten Freunde, dies möchte ich nicht zunehmend in unserer Landschaft vermissen. Es ist an der Zeit, dass wir alle mehr für den Naturschutz tun, und dies können wir auch als Konsumenten, als Wahlbürger und als Hobbygärtner. Wir müssen gemeinsam die Politik dazu bringen, dass sie einen Ordnungsrahmen für die Landwirtschaft setzt, in der sich die Landwirte auch wirklich in Richtung Ökologie und Nachhaltigkeit orientieren können. Städte und Gemeinden sind in gleicher Weise aufgerufen, auf kommunalen Flächen Refugien für Insekten und Vögel zu schaffen. Oft wäre auch über einige Jahre auf Brachflächen – wie dem seit November 2014 leerstehenden früheren Busbahnhof in Esslingen – eine ökologisch sinnvolle Zwischennutzung möglich.

Grau-brauner Spatz sitzt auf einem Gitterzaun. Im Hintergrund schemenhefte Pflanzen.
Der Mann mit der kleinen roten Bibel, Mao Zedong, ließ einst zwei Milliarden Spatzen ermorden, da er sie als Erntediebe schmähte. Um einer darauffolgenden Schädlingsinvasion entgegnen zu können, mussten die Chinesen dann Feldsperlinge aus der gleichfalls kommunistischen Sowjetunion importieren! In unseren Landen werden Spatzen zwar nicht gejagt, doch geht ihnen in vollisolierten Häusern heutzutage der Wohnraum aus. (Bild: Ulsamer)

Mao ließ zwei Milliarden Spatzen killen

Was passiert, wenn der Mensch in die natürlichen Kreisläufe mit brachialer Gewalt eingreift, lässt sich mit einem leider weitgehend vergessenen Beispiel illustrieren. Als der rote Übervater Mao Zedong ab 1958 zwei Milliarden Spatzen durch Dauerstress ermüden und totschlagen ließ, da sie vorgeblich die Ernte seiner sozialisierten Landwirtschaft plündern würden, schlug die Natur in China postwendend zurück: Schädlinge breiteten sich aus.

Doch dem Großen Zampano wollte oder konnte niemand diesen Unfug ausreden, daher wurde erst nach seinem Tode der Sperling wieder zum Nützling. Zwischendurch wurde nur leicht umgesteuert, die Bettwanzen wurden zu einer der vier ‚Plagen‘ – und die überlebenden Sperlinge geschont. Aber es kam noch besser: China importierte Feldsperlinge aus dem gleichfalls kommunistischen Russland, um die landwirtschaftlichen Schädlinge wieder einzudämmen.

Eine schwarz-gelblich gestreifte Biene auf sandigem Untergrund vor ihrem Bau.
Wildbienen leben an vielfältigen Orten – und sie alle brauchen unseren besonderen Schutz. Die Honigbienen haben zumindest die Imker, die sich intensiv um die Bienenvölker kümmern. Aber sie alle – ob Honigbiene oder wilde Verwandte – können langfristig nur in einer giftfreien Natur überleben. (Bild: Ulsamer)

Wir müssen gemeinsam für Insekten und Vögel kämpfen

Es reicht nicht aus, wenn über das Verschwinden von Insekten und Vögeln in unserem Land diskutiert wird, diese Mitgeschöpfe brauchen jetzt unsere Hilfe! Und wir sollten immer beherzigen, dass wir die Insekten und Vögel ebenfalls brauchen. Die Insekten sind die wichtigsten Bestäuber für Nahrungspflanzen und viele Vögel ‚räumen‘ auch – wie die so oft geschmähten Krähen – so manches auf, was der Mensch zurücklässt. Daher bin ich für jede Initiative dankbar, die zu einer Umwelt beiträgt, in der das Artensterben gestoppt wird!

Das fadenscheinige grüne Mäntelchen kann nicht länger verdecken, dass die EU-Agrarförderung der Natur zuwiderhandelt und einer ökologischen Neuorientierung bedarf. Es geht auch nicht darum, die Schuld für den Insektenschwund bei den Landwirten abzuladen, sondern die bäuerlichen Betriebe brauchen einen Ordnungsrahmen, der ihnen eine ökologische Arbeitsweise erleichtert. Auch so manches Stadtoberhaupt oder Gemeinderäte müssen wir deutlich daran erinnern, dass es nicht genügt über Nachhaltigkeit zu palavern, sondern es sind ökologische Entscheidungen erforderlich. Landes- und Bundespolitik müssen sich ebenso wie die EU-Politiker daran erinnern lassen, dass es gleichfalls nicht genügt, Gesetze und Verordnungen zu Papier zu bringen – deren Umsetzung ist entscheidend!

Hummeln, Bienen, Schmetterlinge, Ameisen, aber auch Vögel, Regenwürmer, Feldhasen, Rebhühner und Igel sind auf dem Rückzug. Wir alle müssen jetzt gemeinsam handeln und ihre Lebensräume sichern. Es ist höchste Zeit, den Schotter-Gärtnern, den Glyphosat-Sprayern und den Insekten- und Vogelkillern die rote Karte zu zeigen! Manche Politiker müssen auch aufgeweckt werden, damit sie die Bedeutung der Artenvielfalt erkennen: Unser Weckruf muss noch deutlich lauter werden!

 

Im Vordergrund eine Wiese mit Blütenpflanzen, dahinter ein lichter Mischwald. Die Sonne fällt durch die Kronen der Bäume bis auf den Boden und lässt dort viele grüne Pflanzen wachsen.
Ein lichter Mischwald mit einem gestuften Waldrand und Wiesenflächen bietet vielen Tieren und Pflanzen einen optimalen Lebensraum. (Bild: Ulsamer)

 

18 Antworten auf „Die Insekten brauchen unsere Hilfe – und wir brauchen die Insekten“

  1. Ausstellung “Irrweg Pestizide” plus Material ….. u.a.: Pestizidverseuchung auf dem Biohof (Pestizid-Verwehung in Marlin/Wendland) – taz 11.6.2018

    Liebe Freundinnen und Freunde,

    diese Ausstellung bitte anfordern und überall zeigen!

    Es handelt sich um eine Ausstellung von Dr. Anita Schwaier (Toxikologin; Idee, Leitung, Konzeption),
    Sybilla Keitel (Künstlerin; Konzeption, Illustrationen) und Milan Hänsel (Ökolandwirt, Grafik Design, Layout).
    (13 Tafeln vom Format B 90 cm H 230 cm).
    Als kleines Gegengewicht gegen die massive Propaganda der Chemie- und Agrarindustrie bzw. des
    Bauernverbandes sollte für diese Ausstellung, die auch Alternativen aufzeigt, rasch
    Bedarf angemeldet werden (mail-an-irrweg@web.de)!
    Oder auch im Münsterland/NRW Vermittlung der Ausstellung über NABU-Kreis Borken: herbert-moritz@gmx.de
    T: 02568-2817

    Es gibt jetzt ein Begleitheft zur Ausstellung: ggf. auch über: mail-an-irrweg@web.de

    Siehe: http://nabu-leverkusen.de/nabubund-leverkusen/themen/pestizide/
    und:
    https://www.nabu-kornwestheim.de/projekte/ausstellung-irrweg-pestizide/

    Freundliche Grüße

    Jürgen Kruse
    Arbeitskreis Heckenschutz
    http://www.hecke.wg.vu
    info@heckenschutz.de

    23.4.2019
    ——————————————————————————————————————————————————-
    Anregungen für die Zeit der Ausstellung “Irrweg Pestizide”!
    Besonders aktuell: Pestizid-Verwehungen, die überall zu erwarten sind (siehe unten).

    Bücher:
    “Unser täglich Gift. Die unterschätzte Gefahr” von Prof. J. Zaller (Deuticke Verlag)
    https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/unser-taeglich-gift/978-3-552-06367-9/

    Andre’ Leu: “Die Pestizidlüge. Wie die Industrie die Gesundheit unserer Kinder aufs Spiel setzt” (oekom Verlag)
    https://www.oekom.de/buecher/sachbuch/buch/die-pestizidluege.html

    Scheub/Schwarzer: “Die Humusrevolution. Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen” (oekom Verlag)
    http://www.humusrevolution.de

    Michael Schrödl: “Unsere Natur stirbt. Warum jährlich bis zu 60.000 Tierarten verschwinden und das verheerende Auswirkungen hat”
    (Verlag Komplett-Media GmbH, München 2018) — https://www.komplett-media.de/de_unsere-natur-stirbt_112770.html
    Siehe dazu auch: http://www.biodiversitot.de

    Filme:
    “Das Wunder von Mals” http://wundervonmals.com/

    “Oasen in der intensiven Agrarlandschaft”:
    https://www.youtube.com/watch?v=n4XoCMJYXd4

    “Der Bauer und sein Prinz”:
    http://derbauerundseinprinz.de/
    ————————————————————————————— Pestizidverwehungen:
    Pestizidverseuchung auf dem Biohof
    Vom Winde vergiftet
    http://www.taz.de/Pestizidverseuchung-auf-dem-Biohof/!5508661/
    Jost Maurin, taz 11.6.2018
    und: http://www.taz.de/Verseuchung-auf-dem-Biohof/!5552441/?fbclid=IwAR0Zp5V0QwLo_4Gb7LXIlTAaswgSU5A7TxFaJgp4ofKm3PQn3A8t6NbU3sU
    Verseuchung auf dem Biohof – Entschädigung für Pestizidabdrift
    Hierzu gibt es einen Pestizid-Meldebogen von PAN-Germany, damit endlich die nicht zu vermeidenden Verwehungen einmal erfasst
    werden: https://pan-germany.org/pestizide-uebersicht/pestizide-themenseite/

    Siehe auch: (Krank durch Pestizide) https://www.bund.net/umweltgifte/gefahren-fuer-die-gesundheit/krank-durch-pestizide/?fbclid=IwAR30RIWcWJfHMgvDdXzPsYFajqol5bH0UdljI_DW3ms3orL2wV_MloyQsmw

  2. Biotopverbundplanung ist dringend notwendig! – Broschüre….

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    eine wesentliche Ursache für das Artensterben ist das Verschwinden bzw. die Verstümmelung der Biotopverbundlinien, vor allem der Hecken und Wallhecken.
    Wir brauchen für Klima- und Artenschutz viele km mit neuen Heckenlinien und mit Säumen und Rainen sowie überall Uferrandbepflanzungen.
    Hinweis:
    “Biotopverbundplanung”, eine Broschüre des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (1989): Schon damals sah man klar die Notwendigkeit für neue Heckenlinien,
    Uferrandbepflanzungen etc. zur Sicherung der Artenvielfalt in der sogenannten “Kulturlandschaft”!
    Stattdessen wurde die zuständige Stelle (“Koordinationsstelle Umweltschutz”) aufgelöst, die Broschüre verschwand in der Versenkung und die Naturzerstörung,
    die Massaker an Hecken und Bäumen gingen weiter und haben mit der heutigen radikalen Ausräumung der Landschaft hoffentlich ihren Endpunkt erreicht.
    Jedenfalls ist das massive Artensterben (Pflanzen und Tiere) nicht mehr zu leugnen! Neben der flächendeckenden Dauerberieselung der landwirtschaftlichen Zonen
    mit giftiger Gülle und mit tödlichen Giften ist die Entfernung und Verstümmelung der Biotopverbundlinien (besonders der Hecken) eine ganz wesentliche Ursache
    für das bedrohliche Artensterben!

    Wir brauchen die Absicherung und Kontrolle einer naturnahen und die ökologischen Funktionen sicherstellenden Pflege aller die Artenvielfalt fördernden Landschaftselemente und Naturräume!
    Die desaströse Situation des Arten- und Insektensterbens spricht eine deutliche Sprache: Die Summationswirkungen aller Eingriffe, die wir vermeintlich legitim in die Natur vornehmen, ist für unsere Natur nicht tragbar! Eine realistische Analyse der Situation zeigt: Wir stehen auf einem Kartenhaus, das im Begriff ist einzustürzen.
    Wir fordern eine Neudefinition des Begriffs „Übergeordnetes öffentliches Interesse“ vor dem Hintergrund des aktuellen Artensterbens! Unter dem Deckmantel dieses Begriffes werden viele, erheblich naturschädliche Maßnahmen vermeintlich legitimiert, zum Nachteil der nach uns folgenden Generationen! Erhalt und Schutz funktionierender Ökosysteme für die folgenden Generationen sind unser tatsächliches „Übergeordnetes öffentliches Interesse“.
    „Summationswirkungen“ und „Erhebliche Beeinträchtigungen“ laut FFH -Richtlinie werden nicht ausreichend realistisch erfasst. Daher sind sie kein ausreichendes Mittel, um Arten- und Insektensterben lokal aufzuhalten.
    Auch unsere sogenannten „Ausgleichsmaßnahmen“ gewährleisten nicht den ausreichenden Schutz der letzten verbliebenen, unzerschnittenen Naturräume und sind kein geeignetes Mittel, um Arten- und Insektensterben lokal und global aufzuhalten – Quelle: „Legitimierte Zerstörung von Biodiversität“, Heinrich Böll Stiftung 11/2018
    FAZIT: Unsere Naturschutzgesetze reichen einfach nicht aus!
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    Siehe dazu auch: http://www.wallhecke.de
    und diesen Film:
    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/naturnah/Ein-Leben-fuer-die-Wallhecke,sendung826930.html?fbclid=IwAR0aRaq5YF6tD5svZHQglrlA4lSj2s9xBLuL78WWCJap
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    sowie den Arbeitskreis Heckenschutz (www.hecke.wg.vu).
    Freundliche Grüße, Jürgen Kruse, info@heckenschutz.de, 22.3.2019

  3. Blühstreifen als Propagandatrick?

    „Es ist pervers. Verglichen mit intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen sind unsere Städte, ja sogar viele Randstreifen von Autobahnen mittlerweile geradezu ein Hort der Biodiversität“, so Susanne Dohrn in ihrem neuen Buch „Das Ende der Natur. Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“.1)

    Das Bundesnaturschutzgesetz fordert Biotopvernetzung. Insbesondere in landwirtschaftlichen Gebieten sind „zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen“ (§ 21 (6))

    Landwirtschaft mit Naturschutz auf gemeinsamem Kurs, das war die Hoffnung im Frühsommer 2017 in Heek!

    Daher hat sich Herbert Moritz für den NABU im Kreis Borken -um Dialog mit der Landwirtschaft bemüht- über einen besonders großen Blühstreifen in der Gemeinde Heek in einem Artikel gefreut. Nun musste er enttäuscht feststellen, dass -wie an vielen Ackerflächen zu beobachten war- mit der Maisernte alles komplett vernichtet worden ist.
    Foto:
    Mit der Maisernte ist wieder alles “plattgemacht”!

    Diese Blühstreifen sind ja nur der Versuch, einen kleinen Ausgleich für die verschwundenen Hecken, Krautsäume und Feldraine zu schaffen. Obwohl eher kein heimisches Saatgut verwendet worden ist, hoffte man auf einen Effekt für den Schutz der heimischen Insekten und Kleintiere durch Überwinterung der Samenstände auf dem Streifen. Nun sind gerade die in diese Streifen gelockten Tiere und ihre Lebensgrundlage vernichtet worden. Das möglicherweise noch mit Steuergeldern gefördert!
    Ohnehin sind die Kommunen im Rahmen der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“²) verpflichtet, die kommunalen Wegränder zurückzuholen für neue Biotopverbundlinien in Form von ökologisch bedeutsamen Hecken (mit Kernzone, Mantel und Saum) bzw. Dauerblühstreifen mit heimischen Wildkräutern. Hier sind
    positiv die Bemühungen in der Stadt Vreden, zumal hier auch ein Heckenkataster sowie ein Pflegekonzept vorgesehen sind.3) Im Münsterland wurde dazu ein Muster-Antrag entwickelt, der in jeder Kommune als Bürgerantrag oder über eine Fraktion gestellt werden könnte (siehe: 4).

    Die chemieorientierte Industrie-Landwirtschaft ist nicht nur bedeutender Faktor bei der Klimaerwärmung, Feinstaub- und Keimproduzent, sondern auch Hauptursache für das dramatische Sterben von Pflanzen- und Tierarten, u.a. der Wildbienen, die zu den wichtigsten Bestäubern gehören. Mit giftiger Gülle, tödlichen Pestiziden und Kunstdünger werden die Lebensgrundlagen (Boden, Wasser und Luft) zerstört. Auch die Gesundheit der Menschen ist bedroht (Feinstaub, multiresistente Keime, Giftnebel, Bioaerosole…).
    Erst eine Agrarwende hin zu ökologischer Landwirtschaft kann diesen Niedergang aufhalten. Dennoch versuchen Naturschützer mit kleinen Oasen die Vielfalt zu erhalten bzw. neu zu schaffen, u.a. mit Wildbienenprojekten (siehe: 5).

    Der Bauernverband hat auf Landes- und Kreisebene Rahmenvereinbarungen zur Biodiversität mit unterzeichnet. Dennoch sieht man davon in den ausgeräumten Zonen mit grünen Wüsten eher nichts, stattdessen werden Propagandafeldzüge geführt mit Hinweistafeln an fragwürdig aufgestellten und bestückten Insektennistwänden, in Alibi-Blühstreifen usw.. Eine sogenannte „Nachhaltigkeitsstrategie“ des WLV produziert Sprechblasen und Scheindiskussionen. Selbst eine Beratung durch die Landwirtschaftskammer in Sachen „Blühstreifen“ hat hier im Kreis Borken anscheinend nicht zu einer naturfreundlicheren Einstellung von Landwirten geführt.

    Weiterhin wird Gülle-Entsorgung und Giftspritzerei betrieben bis auf/über Graben- und Gewässerböschungen. Auch die Wasserrahmenrichtlinie wird nicht umgesetzt.
    Landwirte und Bauhöfe der Kommunen, des Kreises, des Landes richten an Hecken und Bäumen weiterhin Massaker an. Eine naturnahe Pflege im Einklang mit dem Naturschutzrecht (abschnittweises „Auf-den-Stock-setzen“ etwa alle zehn Jahre) muss zuerst einmal gewollt und durchgesetzt werden. Dabei sind Hecken ein eigener Habitattyp mit mehr Gehölzarten als in Wäldern und vielen Lebensmöglichkeiten auf eng begrenztem Raum, wenn man sie in Ruhe lässt und die ökologischen Funktionen beachtet (u.a. ausreichend breiter Krautsaum).

    Angesichts des sich beschleunigenden Klimawandels und des dramatisch gestiegenen CO²-Gehaltes der Luft können wir uns ein „Weiter so!“ nicht mehr leisten. Die Kommunen müssen alle klimafreundlich werden und „aufblühen“, die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ wird sonst zu einer Karikatur!

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    Anmerkungen:

    1) Links Verlag, Berlin 2017, S. 10

    2) https://www.bmub.bund.de/publikation/indikatorenbericht-2014-zur-nationalen-strategie-zur-biologischen-vielfalt/

    3) https://www.google.com/maps/d/edit?mid=zHqu4_VmqlMQ.kJ_JjubRRI6E&usp=sharing

    4) http://hecke.wg.vu/neue_hecken_und_biotopverbundlinien_und_krauts__ume/

    5) http://www.gut-fuer-das-westmuensterland.de/projects/55423
    und: https://www.undekade-biologischevielfalt.de/projekte/aktuelle-projekte-beitraege/detail/projekt-details/show/Wettbewerb/1857/

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