Das letzte Halali der GroKo-Wolfsjäger

Koalitionsvertrag von Union und SPD: Kleinkariertes Sammelsurium statt Zukunftsentwurf

So mühsam hatte ich es mir nicht vorgestellt, den 172seitigen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD durchzulesen! Natürlich finden sich darin durchaus wichtige politische Ansätze, so z.B. die Erhöhung des Kindergelds oder die Sicherung des Rentenniveaus, aber letztendlich werden große Themen wie Digitalisierung oder Regionalförderung, Reform der EU oder innere Sicherheit durch ein Sammelsurium von Einzelvorgaben erdrückt. Dies ist kein zukunftsorientierter Koalitionsvertrag, sondern ein Ehevertrag zwischen Union und SPD, der aus gegenseitigem Misstrauen entstanden ist. Von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurden hier Parteien zur Zwangsehe verdonnert, die nicht mehr miteinander arbeiten wollten.

Eine solch kleinkarierte Aufzählung von einzelnen Aufgaben und Klientelgeschenken hätte nicht mal ich unseren Spitzenpolitikern in einem Koalitionsvertrag zugetraut. Die SPD hat viele ihrer Themen – wie die Beschränkung befristeter Beschäftigungsverhältnisse – durchgesetzt und die ausgabenintensiven Ministerien okkupiert, dies sollte eigentlich für ein positives Mitgliedervotum ausreichen, aber was bringt die CDU mit nach Hause? Sie hat das Amt der Bundeskanzlerin für Angela Merkel gerettet, aber dafür einen hohen Preis bezahlt. Die CSU hat zwar erneut die Latte bei einer festen und integrierbaren Zahl von Flüchtlingen gerissen, aber ihr Ex-Parteivorsitzender Horst Seehofer kann sich im Innenministerium festsetzen.

Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz an Rednerpulten bei der Bekanntgabe des Koalitionsvertrags. Beitrag "Das letzte Halali der GroKo-Wolfsjäger".
Dies sind nicht die ‚Drei von der Tankstelle‘, sondern drei Wahlverlierer. Sie haben alle in gleicher Weise ein Wahlergebnis bei der Bundestagswahl im September 2017 eingefahren, das als desaströs bezeichnet werden muss. Aber als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie zur Zwangsehe aufrief, da folgten sie und bastelten erst ein Sondierungspapier, dann einen Koalitionsvertrag. Dieses Sammelsurium öffnet keine positiven Perspektiven für die Zukunft, obwohl Angela Merkel betonte „Es hat sich gelohnt.“ Horst Seehofer, der bisherige bayerische Ministerpräsident und zukünftige Bundesinnenminister meinte „Passt schoa“, und Martin Schulz gab einen seiner letzten großen Auftritte. Da wäre wohl eine Koalition aus Union, FDP und Grünen noch tragfähiger gewesen – oder eine Minderheitsregierung. Auch Neuwahlen hätte ich diesem traurigen Ergebnis vorgezogen. (Bild: Screenshot, „Facebook“, 9.2.18)

Funklöcher melden als Bürgerauftrag

Zwar ärgern mich Funklöcher in Deutschland seit Jahren, aber jeder weiß, mehr Sendemasten der Mobilfunkanbieter würden hier Abhilfe schaffen. Nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch in Irland und anderen europäischen Staaten wird es immer schwieriger, zusätzliche Sendeanlagen zu installieren: Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern geht die Angst vor möglichen schädlichen Auswirkungen um. Ob da eine App hilft? „Wir werden die Bundesnetzagentur beauftragen, ihre App zur Mobilfunknetzmessung so zu erweitern, dass Bürgerinnen und Bürger einfach und unbürokratisch Funklöcher an die Behörde melden können.“ Die Funklöcher sind hinlänglich bekannt, es fehlt doch an der Abhilfe. Und ob eine solche App wirklich in einen Koalitionsvertrag gehört, das wage ich zu bezweifeln. Eine läppische Einzelmaßnahme wie die Programmierung einer App sollte sich doch aus dem alltäglichen Behördenhandeln ergeben und nicht eines Koalitionsvertrags bedürfen.

Völlig richtig ist der Hinweis „In der Erwachsenenbildung wollen wir Programme und digitale Angebote für Menschen jeden Lebensalters fördern, die dem Erwerb von Digitalkompetenzen dienen“, allerdings halte ich dies auch für eine Banalität, doch dann frage ich mich wirklich, wer sich den nächsten Halbsatz ausgedacht hat, „z. B. auch an Volkshochschulen und in Mehrgenerationenhäusern.“ Wo denn, wenn nicht in Volkshochschulen? Und wer kam dann auf „Mehrgenerationenhäuser“? Gilt der Ansatz dann nicht für Seniorenwohnanlagen? Derartige Details gehören nicht in einen zukunftsorientierten Koalitionsvertrag, sondern zeigen nur, dass jedes parteipolitische Grüppchen seine Klientel bedenken durfte.

Was machen eigentlich die Ministerialbeamten?

„Im Deutschen Digitalen Frauenarchiv wird derzeit die Geschichte der deutschen Frauenbewegung digitalisiert und verfügbar gemacht. Dies wollen wir verlässlich absichern.“ Als Soziologe halte ich dies ebenso für ein wichtiges Thema, aber wollen Union und SPD wirklich behaupten, dass sich eine solche – sicherlich auch finanziell überschaubare – Aufgabe nicht innerhalb des Entscheidungsspielraums des zuständigen Ministeriums klären ließe?

Leider ist diese Detailverliebtheit kein Einzelfall, sondern symptomatisch für den ganzen Koalitionsvertrag. Ich frage mich da schon, ob die Koalitionäre alle Beamten und Angestellten in den Ministerien für Trottel halten, denen man alles klein-klein vorkauen muss. „Wir wollen uns für eine Stärkung der Kompetenz der Nutzerinnen und Nutzer sowie für mehr Transparenz und „Privacy by Default“ und „Privacy by Design“ auf Seiten der Anbieter einsetzen und die Entwicklung von innovativem Einwilligungsmanagement fördern und unterstützen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Brauchen wir nicht auch ‚Einwilligungsmanagement‘ für die Politik? Ich habe zumindest mit meinem Wahlzettel nicht in die Erstellung eines solch unsinnigen Papiers eingewilligt!

Horst Seehofer und Andreas Scheuer sitzen bei einer Pressekonferenz vor einer blauen Wand mit "CSU"-Schriftzügen.
Horst Seehofer geht nun aufs Altenteil nach Berlin, da die CSU ja gerne vom ländlichen Raum spricht: sein Austrag oder Ausgedinge kann sich sehen lassen. Nicht jeder wird Innenminister der Bundesrepublik Deutschland nachdem ihm in Bayern Markus Söder den Stuhl als Ministerpräsident des Freistaats unter dem Allerwertesten weggezogen hatte. Und dann auch noch zusätzlich Heimatminister, da bin ich wirklich gespannt, was er bei diesem aus meiner Sicht wichtigen Thema einbringen kann. Aber aus Bayern wird auch Andreas Scheuer voraussichtlich gen Berlin reisen, und ich kann nur hoffen, dass er dann als Verkehrsminister neue Wege einschlägt. (Bild: Screenshot, „Facebook“, 10.2.18)

Yippie! Zahnbonusheft endlich digital!!

„Besseres Leben durch Fortschritt“ lautet die Überschrift eines Abschnitts zum Bereich Digitalisierung und Gesundheit, und jetzt habe ich endlich auch verstanden, was Union und SPD für das richtige Schrittmaß beim digitalen Sturm in die Zukunft halten: „das Zahnbonusheft digital zu verwalten“. Da wäre ich ohne die Hilfe einer Hundertschaft von Koalitionspolitikern bestimmt nicht draufgekommen!

Aber auch für alle, die bisher sich selbst weder joggend noch wandernd, Fußball- oder Handball spielend ertüchtigen, die sich Leichtathletik oder Wintersport verschrieben haben, bietet diese Koalition in spe Hilfe: „Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“ Hurra! Gamer, jetzt müsst ihr euch nicht mehr vom Bürostuhl erheben und dennoch seid ihr schon auf dem Weg nach Olympia! Und jede Couch-Potato mit Laptop wird zum Spitzensportler. Ob dies gegen die zunehmende Bewegungsarmut und ihre Folgen hilft? Natürlich gibt es auch Ansätze der Aktivierung durch entsprechende Spiele, so sollen bereits erste Formel 1-Rennfahrer ihre Karriere an der Spielkonsole begonnen haben. Na, dann ist ja alles gut.

Beglückung des ländlichen Raums

Zwar gibt es im Koalitionsvertrag auch Aussagen zur Weiterentwicklung des ländlichen Raums, die nicht ganz aus der Zeit gefallen sind. Aber für einen Rückfall in die Tage, als der Filmvorführer noch mit seinem Projektor von Gemeindehalle zu Turnhalle zog, halte ich folgenden Ansatz: „Damit der kulturell anspruchsvolle Kinofilm in der Fläche wirkt, wollen wir den Kulturort Kino auch außerhalb von Ballungsgebieten durch ein kofinanziertes ‚Zukunftsprogramm Kino‘ stärken und erhalten.“ Die Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Regionen warten auf die Anbindung an leistungsfähige Netze, die ihnen einen optimalen Zugang zum Internet usw. erlauben, und sie brauchen eine deutlich verbesserte Verkehrsinfrastruktur – für den Individualverkehr und den ÖPNV. Nur wenn die Schulversorgung stimmt und zukunftsorientierte Arbeitsplätze angeboten werden, wenn Hochschulen im Umfeld erreichbar sind und die medizinische Versorgung nicht mangels Landärzten zusammenbricht, dann hat der ländliche Raum gute Entwicklungschancen.

„Eine neue Dynamik für Deutschland“ ist der Koalitionsvertrag überschrieben, aber davon spüre ich gerade auch in der im Koalitionsvertrag skizzierten Regionalentwicklung wenig, die zu neuen Kristallisationszentren in wirtschaftlich weniger entwickelten Räumen beitragen müsste. Und wenn es nach 12 Regierungsjahren unter Angela Merkel – dabei schon acht gemeinsame Jahre mit der SPD – heißt, „Wir werden ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen entwickeln, das allen Bundesländern gerecht wird“, dann frage ich mich schon, was denn in den zurückliegenden drei Legislaturperioden getan wurde. Der Koalitionsvertrag liest sich für mich an vielen Stellen, als kämen Union und SPD jetzt nach langer Oppositionszeit an die Regierung und müssten die vernachlässigten Felder einer schlafmützigen Vorgängerregierung beackern.

Koalitionäre: Nutznießer von Draghis Nullzinspolitik

Die Koalitionäre sonnen sich gerne im Erfolg der deutschen Wirtschaft, die die Kassen des Bundes und der Länder über Steuern und Abgaben füllt, und auch der Steuerbürger wird bedacht: Ja, er soll in Etappen durch die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags entlastet werden. Schön und gut, aber dies war längst versprochen und überfällig. Ansonsten werden uns aber völlig falsche Vorstellungen von der Finanzlage des Bundes vermittelt. Warum ist denn die Kasse derzeit voll? Natürlich, weil die Wirtschaft gut läuft und Unternehmen, Arbeitnehmer sowie Selbständige eifrig Steuern bezahlen.

Baukindergeld soll Familien den Erwerb von Wohneigentum erleichtern.
Wird das Baukindergeld dazu beitragen können, für mehr Familien Wohneigentum zu ermöglichen? Ich hoffe es, aber bei der gegenwärtigen Verknappung auch von Bauland und explodierender Immobilienpreise wird es politischer Kraftanstrengungen bedürfen. Die im Koalitionsvertrag angedachte gleichzeitige Reduzierung des Flächenverbrauchs um die Hälfte und der Bau von zwei Millionen Wohnungen lassen sich nur schwer vereinbaren. Mit dem Baukindergeld kann man noch lange keine Wohnung oder ein Haus finanzieren, die Politik denkt zu wenig an die Ansparphase: Die Nullzinspolitik von Mario Draghi muss beendet werden. Lange genug hat sich Draghi mit seiner Europäischen Zentralbank als größter Zinsräuber aller Zeiten betätigt – und die Bundesregierung schweigt! (Bild: Screenshot, „Facebook“, 9.2.18)

Aber wäre da nicht Mario Draghi, der größte Zinsräuber aller Zeiten mit seiner Europäischen Zentralbank (EZB), dann gäbe es gar keine ‚Überschüsse‘, die nun mit der Gießkanne unters Volk gebracht werden. Nur die Nullzinspolitik des italienischen EZB-Präsidenten, die er – trotz politischer und wissenschaftlicher Bedenken auf allen Seiten – weiter durchzieht, bringt das dicke Plus in die Bundeskasse. In Wahrheit resultieren die ‚Überschüsse‘ aus den niedrigen Zinszahlungen für Kredite des Bundes. So war es kaum verwunderlich, dass Wolfgang Schäuble die Nullzinspolitik von Mario Draghi nicht anprangerte, denn er konnte so seine schwarze Null im Bundeshaushalt sichern und sich dafür auch noch loben lassen.

Ich möchte mir echt nicht vorstellen, was geschieht, wenn diese Regierung aus Union und SPD gebildet wird und während der Legislaturperiode weltweite wirtschaftliche Probleme auftauchen sollten. Dann ist das Geld ausgegeben und für die Zukunft wurde zu wenig vorgesorgt. Die EZB aber hat ihr Pulver dann längst verschossen.

Keine solide Finanzpolitik erwartbar

Vor dem Hintergrund der Nullzinspolitik mutet es für mich wie Hohn an, wenn – wie im Sondierungspapier – auch im Koalitionsvertrag wieder betont wird, man wolle die private Absicherung für das Alter stärken. Wie soll das denn gehen, wenn im Grunde normale Sparanlagen nicht nur keinen Ertrag bringen, sondern dank Draghis Inflationstreiberei auch noch an Wert verlieren? Wo sollen denn stabile Erträge bei der natürlich wieder erwähnten Riester-Rente herkommen? Wie sollen Betriebsrenten oder Lebensversicherungen dauerhaft funktionieren, wenn solide Staatsanleihen nichts abwerfen, Aktien zum Teil bereits überbewertet sind und die Immobilienpreise längst die Bodenhaftung verloren haben? Worthülsen wie in diesem Koalitionsvertrag ersetzen keine zukunftsweisende Alterssicherung. Und daran kann auch das im Koalitionsvertrag staatlich fixierte Rentenniveau bei stabilen Beitragssätzen nichts ändern, denn hier darf dann der Steuerzahler einspringen und sein eigenes Rentenniveau absichern.

Erschreckend ist es für mich, dass sich weder im Sondierungspapier noch in dem darauf aufbauenden Koalitionsvertrag klare Aussagen finden lassen, wie die Finanzpolitik in Europa wirklich gestaltet werden soll. Nullzinspolitik, Geldschwemme und Inflationshype à la Draghi können ja wohl nicht den Weg in die Zukunft ebnen. Aber hierzu findet sich kein Sterbenswörtchen: Hat die SPD eigentlich ihre Wählerinnen und Wähler vergessen, die von ihrer Arbeit leben und etwas fürs Alter zurücklegen oder für die bessere Ausbildung oder das Studium ihrer Kinder sparen? Wie sollen sie dies tun, wenn seit Jahren keine Verzinsung des Sparkapitals erfolgt? Haben CDU und CSU außer hohlen Bekenntnissen zur Sozialen Marktwirtschaft in Sachen Finanz- und Wirtschaftspolitik nichts mehr zu bieten? Vielleicht fällt es daher der Union auch leicht, auf das Finanzministerium zu verzichten! Hauptsache der Thron der Königin im Kanzleramt ist gesichert.

Und die SPD scheint mit Olaf Scholz ja auch den richtigen Anwärter als Finanzminister aus dem Hut zu zaubern: Endlich mal einer, der mit Geld umgehen kann! In der Planungsphase wurde von 77 Mio. EURO ausgegangen, die die Hansestadt Hamburg für die Elbphilharmonie zu bezahlen habe, am Schluss hatten sich die Kosten für die öffentliche Hand verzehnfacht – auf 789 Mio. EURO. Die Gesamtkosten belaufen sich sogar auf 866 Mio. EURO, wobei die Differenz durch Spender und Sponsoren erbracht wurde. Hoffentlich bleibt unserem Land ein solcher Finanzminister erspart. Dass der Erste Bürgermeister aus Hamburg wegwill, das verstehe ich allerdings: Vor dem G 20-Gipfel hatte er den Bürgerinnen und Bürgern vollmundig die Sicherheit während des Gipfels garantiert, doch diese durften anschließend erleben, wie linksextremistische Gewalttäter vom Schwarzen Block durch ihre Straßen zogen. Während der bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen saß Olaf Scholz mit Angela Merkel und zahlreichen Staatsgästen gut bewacht von Spezialeinheiten der Polizei in eben dieser Elbphilharmonie.

Mrtin Schulz in einem Beitrag der Tagesschau mit dem Titel "Ikarus von Würselen".
Als neuer ‚Sozi-Messias‘ von den SPD-Mitgliedern und großen Teilen der Medien gefeiert, dann aber nach nur einem Jahr der Totalabsturz! Wie kann ein Berufspolitiker wie Martin Schulz mit so wenig Fingerspitzengefühl an die Themen herangehen? Raus aus der GroKo, rein in die GroKo Ko, kein Ministeramt unter Angela Merkel, dann doch gerne Außenminister. Und am Ende ein politisches und persönliches Trümmerfeld. (Bild: Screenshot, „tagesschau.de“, 9.2.18)

Armer Ludwig

Selbstredend wird der Begriff ‚Soziale Marktwirtschaft‘ auch von Koalitionären gebraucht, aber zum ‚Markt‘ findet sich nichts Tiefgründiges, eigentlich wird sie zu einem Verteilungsmechanismus umgedeutet. „Die Soziale Marktwirtschaft, die auf Unternehmensverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und einer fairen Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands beruht, braucht eine Renaissance, gerade in Zeiten der Digitalisierung.“ Schön gesprochen, und selbst die gute alte Tante SPD unterschreibt dies – vorbehaltlich dem Mitgliedervotum -, obwohl Marktwirtschaft ja nicht gerade zu ihren historischen Grundwerten zählt. Aber der Marktmechanismus kommt ja eigentlich auch nicht vor, sondern die faire Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands. Ludwig Erhard dürfte sich bei einer solchen Politik im Grabe umdrehen! Ihm war es noch klar, dass man zuerst Erträge erwirtschaftet, ehe man diese verteilt.

Aber die CDU unter Tricky Angie würde ja auch ihre Großmutter verkaufen, wenn sie damit ihre Vorsitzende im Kanzleramt halten kann. Kein Wunder, schwenkten doch Mitglieder der Jungen Union am Wahlabend vorgedruckte Schilder mit „Voll muttiviert“. Ich darf mir nicht vorstellen, wie vor einigen Jahrzehnten meine JU-Mitstreiter reagiert hätten, wenn ich mit einem solch kindischen Plakat aufgelaufen wäre. Wie weit kann eine Partei eigentlich sinken? Von ordnungspolitischen Grundsätzen hat sich die CDU unter Angela Merkel leider längst verabschiedet, und dies zeigte sich bereits 2009 bei der Einführung des Gesundheitsfonds, der mich das Weite suchen ließ.

Marktwirtschaft als Worthülse

So frage ich mich auch, wie es die Union mit ihren Grundwerten vereinbaren kann, die Axt an die privaten Krankenversicherungen zu legen, nur um Martin Schulz einen Herzenswunsch zu erfüllen. Ach ja, den hat es inzwischen ja vom Sockel gehauen – oder besser gesagt, er hat sich selbst heruntergestürzt. Am Wahlabend: Raus aus der Großen Koalition, noch vor dem Gespräch mit dem Bundespräsidenten wiederholt er dies, um dann auf allen Vieren doch wieder in die GroKo zu kriechen. Keinesfalls wolle er in ein Kabinett unter Merkel eintreten, dann doch wieder lieber deren Außenminister werden. Der Sigmar kriegt noch einen Tritt in den …, und dann holt den Bürgermeister von Würselen und Grüß-Gott-Präsidenten des Europaparlaments seine Irrfahrt selbst ein: Nun wird Martin Schulz weder SPD-Vorsitzender bleiben, noch unser Land als Minister vertreten. Wie kann ein Berufspolitiker eigentlich solche Fehler machen?

Nun zurück zur Privaten Krankenversicherung: Sicherlich kann man über deren langfristige Zukunftsfähigkeit streiten, aber was gehen eigentlich die Koalitionäre die Honorarsätze an, die privatwirtschaftliche Unternehmen bezahlen? Nichts! So würde ich sagen. Aber dennoch heißt es im Koalitionsvertrag: „Sowohl die ambulante Honorarordnung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (EBM), als auch die Gebührenordnung der Privaten Krankenversicherung (GOÄ) müssen reformiert werden.“ Eigentlich dachte ich, in einer Sozialen Marktwirtschaft würden private Unternehmen ihre Abrechnungskriterien selbst festlegen, aber da muss ich mich getäuscht haben. Oder liegt es daran, dass die Soziale Marktwirtschaft für die Union nur noch eine Worthülse ist? Wann werden denn von Angela Merkel die Brötchenpreise festgelegt? Das hatten wir doch schon mal – in der DDR.  Eine unter Angela Merkel sozialdemokratisierte CDU hat längst den marktwirtschaftlichen Kurs verlassen. Daran wird auch – wenn er Wirtschaftsminister wird – Angela Merkels Geheimwaffe, Peter Altmaier, nichts ändern, denn durch grundsätzliche Aussagen zur Sozialen Marktwirtschaft ist er bisher nicht aufgefallen.

Die Glyphosat-Truppe

Gehofft hatte ich zwar, dass die Koalitionäre in Sachen Landwirtschaft ihr Sondierungspapier noch nachbessern, aber weit gefehlt. Von einer Neuorientierung der industriellen Landwirtschaft wird nicht gesprochen: Hier mal weniger Glyphosat, das dank des amtierenden CSU-Landwirtschaftsministers Christian Schmidt eine weitere EU-Zulassung erhalten hatte, da mal ein „Tierwohllabel“ und die Erkenntnis, dass es Insekten gibt. Das ist mir allemal zu wenig.

Schwalbenschwanz auf einer Weide. Insekten brauchen die Verbesserung ihres Lebensraums durch politische Entscheidungen. www.deutschland-geliebte-bananenrepublik.de
Sind Bienen den Koalitionären in spe wichtiger als Schmetterlinge? Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die entsprechenden Passagen des Koalitionsvertrags liest: „Dabei liegt uns der Schutz der Bienen besonders am Herzen.“ So wird das nichts mit dem Kampf gegen das Insektensterben! (Bild: Ulsamer)

Mit „Fördermitteln“ soll es mehr „Insektenschutz“ geben, da hätte ich mir gewünscht, dass es für die Betriebe, die nichts für Natur und Insekten tun, deutlich weniger Geld gibt. Aber wieder mal Fehlanzeige, und ganz klar ist mir auch der folgende Satz nicht: „Dabei liegt uns der Schutz der Bienen besonders am Herzen.“ Wo ist denn der Unterschied zwischen Bienen und Schmetterlingen? Eine Strategie soll es dann zur Mitte der Legislaturperiode geben. Die hätte doch schon in den vergangenen 12 Jahren erarbeitet werden können! Und auch bei der EU-Agrarförderung fehlt der eindeutige Auftrag zur Veränderung.

Aber nicht nur bei Herbiziden und Insektiziden fehlt der Wille zur Gestaltung, sondern auch beim Nitrateintrag in unser Grundwasser. Da verklagt die Europäische Union Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte, und im Koalitionsvertrag steht der lapidare Satz: „Im Dialog mit der Landwirtschaft werden wir auf eine gewässerschonende Bewirtschaftung hinwirken.“ Weniger Gülle aus riesigen Mastbetrieben auf unsere Äcker und Wiesen, das ist eine Verpflichtung! Aber das Thema Umweltschutz kommt insgesamt in diesem Koalitionsvertrag viel zu kurz.

Kaum Hoffnung macht es auch, wenn Barbara Hendricks ihren Sessel im Umweltministerium behalten kann, denn sie war vor dem Deutschen Bauernverband auf die Knie gefallen, als dieser eine Informationskampagne des Umweltministeriums kritisierte, die auf Nitrat im Grundwasser und beengte Stallungen oder das Insektensterben einging. Es ist für mich immer wieder verwunderlich, dass Politikerinnen und Politiker ihr Amt behalten dürfen, auch wenn sie als Umfaller bekannt sind.

Mehr Geld für die EU

Die Europäische Union liegt mir sehr am Herzen, denn sie hat nach den Weltkriegen aus Feinden Freunde gemacht. Und diesen Weg müssen wir gemeinsam weiter beschreiten, doch im Koalitionsvertrag kommt mir neben der weiteren Vertiefung der Beziehungen zu Frankreich die Stärkung der Beziehungen zu unseren mittel-osteuropäischen Freunden zu kurz. Da werden natürlich Polen und Ungarn genannt, aber wir müssen alles dafür tun, keine Zweiklassen-EU entstehen zu lassen.

„Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit. Wir wollen einen Haushalt, der klar auf die Aufgaben der Zukunft mit europäischem Mehrwert ausgerichtet ist.“ Ich hätte mit gewünscht, dass zuerst im Sinne einer Aufgabenkritik über die zentralen Arbeitsfelder der EU und dann erst über mehr Steuergeld aus Deutschland diskutiert wird. Selbstverständlich geht es auch darum, die Finanzlücke zu schließen, die durch den Brexit entsteht, aber ich hätte mir – neben einem Wort des Bedauerns – einen Aufruf vorgestellt, nochmals auf unsere britischen Partner aktiv zuzugehen. Nach Meinungsumfragen will die Mehrheit der Briten keinen Austritt aus der Europäischen Union mehr, warum wird hier nicht noch stärker der Wunsch betont, sie in unserem Club zu halten?

Kühe auf einer grünen Weide. Im Koalitionsvertrag fehlen Ansatzpunkte für eine Agrarwende, die auf Nachhaltigkeit und Ökologie setzt.
Eine durchgreifende Reform der Agrarpolitik ist von dieser Koalition nicht zu erwarten. Noch immer orientieren sich die Koalitionäre zu sehr an der industriellen Landwirtschaft und zu wenig an Nachhaltigkeit und Ökologie. Ist der Druck des Deutschen Bauernverbands auf die Politik so groß, dass sich Union und SPD weiterhin um eine Neuorientierung drücken? Soll weiterhin die Massentierhaltung in gigantischen Ställen dominieren und die Kühe im Freien eine Besonderheit bleiben? (Bild: Ulsamer)

Überbewertet werden die europapolitischen Ergüsse von Emmanuel Macron, der in vielen Fällen nur einen Zahlmeister für seine phantasievollen Vorschläge sucht. Wir brauchen nicht am laufenden Band neue Visionen, sondern Politiker, die die heutigen Probleme beheben und so den Weg in eine gemeinsame Zukunft ebnen. Aber hier fehlt es auf EU-Ebene bei Jean-Claude Juncker, dem Meister der Verschleierung, und Konsorten ebenso am richtigen Personal wie leider häufig auch auf Ebene der Einzelstaaten.

Koalitionsvertrag: Zukunftsfragen unbeantwortet

Tagelang könnte ich kritische Anmerkungen zu diesem Koalitionsvertrag niederschreiben, aber zwar waren früher Papier und heute der Speicher des Laptops geduldig, aber Sie, liebe Leserinnen und Leser, wollen ja nicht endlos diesen Zeilen folgen.

So versuche ich einige Themen nur noch kurz anzureißen, die ich aber auch bei der Analyse des Sondierungspapiers schon angesprochen habe. Wie kann denn der Flächenverbrauch halbiert werden, wenn gleichzeitig zwei Millionen Wohnungen gebaut werden sollen? Gibt es dann keinen Ausbau von Verkehrsflächen oder Gewerbegebieten mehr? Wie werden wir auch zukünftig jährlich 220 000 Flüchtlinge unterbringen und integrien können, wo wir die seit 2015 eingetroffenen rd. 1,5 Mio. Migranten längst nicht einbezogen haben, hunderttausende von Asylverfahren vor unseren Verwaltungsgerichten anhängig sind, und es uns bisher nicht gelungen ist, die Minderheit der kriminellen Migranten in den Griff zu bekommen?

Achtung: Bitte diesen Abschnitt nur lesen, wenn Sie bei dieser Unzahl von Kommissionen, die der Deutsche Bundestag nach Wunsch der Koalitionäre in dieser Legislaturperiode ins Leben rufen möchte oder bereits eingesetzt hat, nicht erschrecken! Die Strategie der Vertagung, die aus dem Koalitionsvertrag spricht, ergießt sich in eine Vielzahl von Kommissionen: „Stärkung Kinderkommission“, „Rentenkommission zur langfristigen Stabilisierung von Beiträgen und Niveau der Rente für die Zeit nach 2025“, „Gemeinsame Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ aus Bund, Ländern und Kommunen“, „Einrichtung einer Kommission für Aktionsprogramm zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels, zur Reduzierung der Kohleverstromung und zur Absicherung des notwendigen Strukturwandels“, „Kinderkommission des Deutschen Bundestages“, „Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur ‚Stärkung der beruflichen Bildung zur Sicherung des Fachkräftebedarfs“, „Daten-Ethikkommission“, „Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“, „Kommission Strategie ‚Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“, „Rentenkommission ‚Verlässlicher Generationenvertrag‘“, „Pflegemindestlohnkommission“, ‚Kommission zu den Gebührenordnungen‘ (da gibt’s noch nicht mal einen Namen), „Fachkommission Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit“, „Kommission Fluchtursachen“, „Enquete-Kommission Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“, „Historikerkommission ‚Vergangenheit der für Stadtentwicklung, Wohnungswesen und Bauen zuständigen Institutionen‘“ (wird unterstützt), „Baukostensenkungskommission“, „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse“, „Expertenkommission zum Thema Antiziganismus“, „Fluglärmkommissionen“, „Expertenkommission Personengesellschaftsrecht“, „Kommission ‚Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung‘“, „Expertenkommission Bürgerbeteiligung“.

Irgendwie fühle ich mich an den alten Spruch erinnert „Wenn Du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis.“ Politik braucht Beratung, dies möchte ich nicht in Zweifel ziehen, aber beim Ende der Kohleverstromung oder den Fluchtursachen, die Migranten nach Europa treiben, frage ich mich schon, welche Informationen noch zu erwarten sind. Es gibt doch kein Informationsdefizit, sondern einen Handlungsstau. Und da hilft es auch nichts, dass der Bundestag das zweitgrößte Parlament der Welt ist – nach der Kopfzahl liegt nur noch der Chinesische Volkskongreß vor uns.

Windkraftanlage vor Abendhimmel. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD bietet keine nachhaltigen Ansätze für eine Energiewende.
Bei Energiethemen bietet der Koalitionsvertrag nichts Neues. Für die Reduktion der Kohleverstromung wird eine der unzähligen Kommissionen ins Leben gerufen, obwohl ohne den Kohleausstieg die Pariser Klimaziele nicht erreichbar sind. Hier hätten die Vorarbeiten doch in den vergangenen Legislaturperioden bereits erledigt werden können. Und die „Erneuerbaren Energien“ werden „effizienter, netzsynchroner und zunehmend marktorientierter“ ausgebaut. Na, dann mal los, kann ich da nur sagen: Gerade der Netzausbau ist von zentraler Bedeutung, doch der kommt seit Jahren nur schleppend voran. Der Ausbau von Speicherkapazitäten und der Einsatz von Wasserstoff werden im Koalitionsvertrag zwar genannt, doch Herzblut lassen die Verhandler bei diesen Themenfeldern nicht erkennen. (Bild: Ulsamer)

Der Wolf und das Rotkäppchen Julia

Ich mag es noch immer nicht glauben, aber über Jahre, man kann schon sagen einige Jahrzehnte, wurde der Rückkehr des Wolfes das Wort geredet – und dies nicht nur von Naturschützern, sondern auch von Förstern. Die Wölfe sollten für ein natürliches Gleichgewicht im Wald sorgen und das Rotwild zurückdrängen, damit die ‚Tannenbäumchen‘ wieder besser wachsen. Kaum sind die Wölfe nach Deutschland zurückgekehrt, da bricht Hysterie aus. Schäfer wollen ihren Beruf an den Nagel hängen, und die Öffentlichkeit scheint ganz vergessen zu haben, dass die Schäferei zu wenig abwirft, da die Wolle schlecht vermarktbar ist und dank billigerem Lammfleisch aus Neuseeland die Preise im Keller sind. Aber jetzt hat man ja den Wolf entdeckt, und diesem ‚Bösewicht‘ kann man die Schuld zuschieben und eine fehlgeleitete Agrarpolitik scheint aus dem Schneider. Selbst für naturschutzfachliche Arbeiten erhalten die Schäfer im Regelfall keine existenzsichernden Zahlungen der öffentlichen Hand.

Auch wenn ich mich wiederhole, Schafe gehören zu meinen Lieblingstieren und ich habe eine kleine Herde heute schon mit Winterfutter versorgt. Aber auch dem Wolf steht ein Lebensrecht in unserer Natur zu, doch dies sehen manche Politikerinnen und Politiker zunehmend nicht mehr so. Unter ihnen ist Julia Klöckner, das Rotkäppchen aus Rheinland-Pfalz, das es zwar nicht ins Amt der Ministerpräsidentin schaffte, jetzt aber als zukünftige Landwirtschaftsministerin gehandelt wird. Sie hat den Wolf ins Visier genommen – vielleicht im vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Deutschen Bauernverband?

„Die Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten.“ Wer möchte da dem Koalitionsvertrag widersprechen? Ich sicherlich nicht. „Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität.“ Sicherlich auch richtig, aber wenn ich zu nächtlicher Stunde im städtischen Umfeld zur U-Bahn gehe, dann habe ich eher ein flaues Gefühl im Magen, als bei einer Wanderung durch den Wald.  „Wir werden die EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können.“ Also darum geht es den Koalitionären: Weniger Wölfe ist das Ziel. Wie geht das z.B. in Baden-Württemberg? Da kam doch echt ein Wolf bei Titisee im Schwarzwald vorbei und wurde erschossen und in den Schluchsee geworfen. War dies die gewünschte Reduktion? „Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln.“ Sollten Politiker nicht ehrlich bleiben und dann eben von ‚erschießen‘ sprechen? Entnahme klingt doch irgendwie verlogen. „Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale Entnahme. Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune überwunden haben oder für den Menschen gefährlich werden, entnommen werden.“ In anderen EU-Ländern dagegen wirken Herdenschutzhunde und spezielle Elektrozäune abschreckend, warum sollte dies nicht auch in Deutschland funktionieren? Beispiele dafür gibt es ja bereits bei engagierten Weidetierhaltern.

Julia Klöckner in einem Beitrag des ZDFs zum Thema Wolf.
„Hilfe“ würde der Wolf rufen, wenn er den Koalitionsvertrag lesen könnte. Das Rotkäppchen aus Rheinland-Pfalz ist sicherlich in Deutschland noch keinem Wolf in freier Wildbahn begegnet, aber dennoch ruft Julia Klöckner zur Dezimierung der Wölfe auf. Hätte sie doch mal mit gleichem Nachdruck Wahlkampf in ihrem Bundesland gemacht, dann müsste sie jetzt nicht in der Berliner Regierung mit einem Ministeramt versorgt werden. (Bild: Screenshot, „Rheinische Post“, 6.2.18)

Eins ist für mich klar, wenn wir die Wölfe den Koalitionären überlassen, dann wird bald zur großen Treibjagd geblasen oder sollen gar Sondereinsatzkommandos gebildet werden für die „letale Entnahme“, pardon, das Erschießen der Wölfe? Sicherlich lässt jeder Naturschützer mit sich in echten Problemfällen reden. Wer aber argumentiert wie die Koalitionäre oder Julia Klöckner, die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, dem geht es langfristig um die erneute Ausrottung des Wolfs, dies macht die Argumentation überdeutlich.

Zum Glück bin ich kein SPD-Mitglied

Die wenigsten SPD-Mitglieder werden diesen Koalitionsvertrag durchlesen, ehe sie ihr Votum beim Mitgliederentscheid abgeben. Sie würden zwar SPD-Forderungen finden – deutlich mehr als Mitglieder von CDU und CSU -, aber sie würden über dieses Sammelsurium an Einzelaspekten, Worthülsen, Verlagerungen in Kommissionen sicherlich ebenso erschrecken wie ich. Dieser Koalitionsvertrag ist aus meiner Sicht nicht zukunftsorientiert, sondern ein Desaster. Hier wäre die Konzentration auf zentrale Themen besser gewesen, denn wer im Voraus jedes Detail für eine Legislaturperiode fixieren möchte, der wird politisch nichts Herausragendes leisten können.

Aber nicht nur der Koalitionsvertrag ist aus meiner Sicht indiskutabel, sondern beim Personal steht es ebenso. Martin Schulz, den Verlierer der Bundestagswahl hat sein Schlingerkurs – wie erwähnt – eingeholt, sprich, er wurde aus der ersten Reihe hinauskatapultiert. Politischer Totalschaden. Sein Hin und Her mit GroKo nein und dann doch, niemals in ein Kabinett Merkel, dann doch gerne Außenminister, das versteht kein Mensch und es ist eines führenden Politikers unwürdig. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass Martin Schulz mit 100 Prozent der Stimmen zum Bundesvorsitzenden der SPD gewählt wird und innerhalb eines Jahres ohne diesen Vorsitz und ohne Ministeramt blamiert bis auf die Knochen vor seinem Publikum steht. Das muss man als Berufspolitiker erst mal schaffen.

Martin Schulz und Andrea Nahles bei einer SPD-Pressekonferenz.
Martin Schulz, der abgestürzte Held der SPD und die neue Antreiberin, Andrea Nahles. Wird nun wieder mal alles besser? Wenn Andrea Nahles weiterhin über Andersdenkende in der Rentenpolitik als „professorale Sesselfurzer“ herzieht, dem politischen Gegner eins „in die Fresse“ geben will und „Bätschi“ für einen intellektuellen Höhenflug hält, dann wird der Ton rauer, aber das Ergebnis auch nicht besser. Für mich ist es beklemmend, wie sich die SPD selbst ruiniert, denn die Erfahrungsstränge der SPD gehen bis auf die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins im Jahre 1863 zurück. (Bild: Screenshot, „Facebook“, 9.2.18)

Aber wird es die neue starke Kraft der SPD, Andrea Nahles, richten? Bei manchen ihrer Äußerungen habe ich das Gefühl, sie sei nicht Mitglied des Deutschen Bundestages, sondern in früheren Zeiten in einem ‚Roten Kinderladen‘ beschäftigt: „Wir werden verhandeln, bis es quietscht“, ist ja noch ok, aber ob die „professoralen Sesselfurzer“ in der Rentendiskussion ganz passend sind, das glaube ich weniger. „Und ab morgen kriegen sie in die Fresse“, gemeint waren die – und vielleicht auch wieder – Koalitionspartner aus der Union. Und während der Koalitionsverhandlungen nochmals an die Union gerichtet: „Aber die SPD wird gebraucht. Bätschi, sag ich da dazu nur. Und es wird ganz schön teuer. Bätschi, sag ich dazu nur“. Das kann ja heiter werden, wenn Andrea Nahles neben der Fraktion auch noch die SPD als Partei führt.

Merkel-Dämmerung? Tiefe Nacht!

Die Zahl der Kritiker, die von einer Merkel-Dämmerung sprechen, eine Erneuerung der Partei(spitze) fordern oder die Erosion der christlich-demokratischen Wertebasis beklagen wird immer länger. Nach meiner Ansicht ist es jedoch bereits tiefe Nacht. Weit und breit fehlt es der CDU an Alternativen und eine Aufarbeitung des Wahldebakels ist mal wieder unterblieben. Hätte Angela Merkel nicht an Helmut Kohls Werdegang erkennen müssen, wann es Zeit ist, das politische Ruder aus der Hand zu geben? Helmut Kohl hatte durch das beherzte Zupacken die deutsche Wiedervereinigung maßgeblich ermöglicht. Hätte er gezaudert, wäre die Chance vertan gewesen. Aber er sah sich in seiner Spätphase als unentbehrlich an und wurde letztendlich schrittweise verdrängt – gerade auch durch seine politische Ziehtochter Angela Merkel.

Nicht nur bei den unsäglichen Aussagen zum Wolf in Deutschland habe ich den Eindruck, dass die Vertreter der Großen Koalition, die eigentlich nur noch von mittlerer Größe ist, zu ihrem letzten „Halali“ blasen. Die Jagd ist zu Ende, die Themen sind erlegt, die Strecke (sprich die Ministerposten) vor uns allen ausgebreitet, das Personal sinkt ermattet zu Boden. Wenn nicht mal andere das Horn blasen, dann wird es still werden. Diese Truppe schafft keinen politischen Fortschritt mehr.

Für unsere Demokratie sind sowohl die SPD als auch CDU und CSU von großer Bedeutung, daher bedrückt mich die gegenwärtige Situation. Von einer inneren Erneuerung ist zu wenig zu spüren und es fehlt an einer klaren Zukunftsorientierung. Im Nachhinein wird noch deutlicher, dass die FDP eine Chance vertan hat, mit Union und den Grünen zumindest ansatzweise neue Orientierungspunkte zu vermitteln. So dümpelt Deutschland – selbst wenn Union und SPD auch die nächste Regierung bilden – im brackigen Fahrwasser vor sich hin. Da möchte man mit Johann Wolfgang von Goethe ausrufen „Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehen!“

 

 

Eine Antwort auf „Das letzte Halali der GroKo-Wolfsjäger“

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