Ist der XXL-Bundestag ein Selbstbedienungsladen?
Den Parteien in unserem Land kommt der Rang von Verfassungsorganen zu, so sieht dies zumindest das Grundgesetz. Und Parteien können nur zur politischen Willensbildung beitragen, wenn sie auch über ausreichende Finanzmittel verfügen – und zwar aus Quellen, die sie nicht in die Gefahr einer Abhängigkeit bringt von den Einzelinteressen großer Spender und Sponsoren. Somit ist die Teilfinanzierung durch staatliche Mittel richtig und wichtig. Dennoch halte ich es für einen Skandal, wenn CDU, CSU und SPD jetzt innerhalb von zwei Wochen eine Erhöhung der staatlichen Finanzierung für die Parteien – also gerade auch für sich selbst – durchs Parlament gepeitscht haben. Wenn es um das eigene Geldsäckel geht, dann sind Union und SPD deutlich zackiger unterwegs als bei der Lösung der Flüchtlingsproblematik.
Fix in eigener Sache
Die Regierungsfraktionen setzten sich mit 371 zu 285 Stimmen im Bundestag durch und ebneten den Weg für eine Aufstockung der Parteienfinanzierung um 25 Millionen EURO. Der reichlich gegebene Obolus aus Steuergeldern erhöht sich somit von 165 auf 190 Mio. EURO. Vorgeblich geht es darum, die Kommunikationsfähigkeiten der Parteien in den sozialen Medien zu stärken. Dies ist sicherlich ein wichtiges Anliegen, denn Donald Trump, der Twitter-König, aber auch die Fünf-Sterne Bewegung in Italien oder die AfD in Deutschland setzen auf Twitter, Facebook & Co. – und dies mit Erfolg. Die neuen Datenschutzverordnungen der EU brächten ebenfalls neue Herausforderungen mit sich, so die Begründung. Beide Argumente sind sicherlich nicht falsch, doch dies betrifft auch jeden Kleinunternehmer, der allerdings nicht einfach seine Einnahmen durch Preiserhöhungen nach oben treiben kann.
Mich stört jedoch weniger die Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung, sondern weit mehr die Art und Weise der Umsetzung. Wenn ich mir die langsame Gesetzgebungsmaschinerie vorstelle, die unser Land – gerade auch unter Bundeskanzlerin Angela Merkel – auszeichnet, dann ist es geradezu unglaublich, wie fix es geht, wenn die eigenen Taschen gefüllt werden sollen. Dies erinnert mich auch an den im ersten Anlauf gescheiterten Versuch der baden-württembergischen Abgeordneten von CDU, Grünen und SPD, ihre Altersversorgung deutlich zu verbessern. Auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte hier nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen.
Nur zur Erinnerung: Einsicht hatten die Abgeordneten in Stuttgart im Jahre 2008 gezeigt und beschlossen, dass sich die Mitglieder des baden-württembergischen Landtags selbst um ihre Altersversorgung kümmern müssen. So wurden ja auch die Bürgerinnen und Bürger seit Jahren belehrt: Sorge selbst und rechtzeitig für dein Alter vor! Die Regelung trat dann 2011 in Kraft, und damit kein Abgeordneter am Hungertuch nagen muss, bekamen sie alle auch einen finanziellen Zuschlag. 2017 bemerkten auch die Abgeordneten, dass die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) unter dem Zinsräuber Mario Draghi ihre private Alterssicherung gefährdet – und im Eilverfahren ergriffen sie die Chance, wiederum eine staatliche Absicherung zu erhalten! Natürlich ohne Zinsrisiko!! FDP und AfD stimmten dagegen, doch der denkwürdige Parlamentsbeschluss wurde erst nach lauten Bürgerprotesten zurückgenommen, war er doch zuvor innerhalb einer Woche durch den Landtag bugsiert worden. Inzwischen basteln die Abgeordneten wiederum an ihrer Besserstellung – bereits unterstützt durch eine entsprechende Kommission -, ohne zu erkennen, dass sie als Volksvertreter die gleichen Absicherungsformen wählen sollten wie die von ihnen vertretenen Bürgerinnen und Bürger.
Weniger Wählerstimmen = weniger Geld in der Kasse
Nicht von der Hand zu weisen ist es jedoch auch, dass gerade CDU, CSU und SPD ihre klammen Parteikassen aufbessern müssen, denn durch ihre schlechten Wahlergebnisse haben sie natürlich Geld verloren: Ein Teil der Zahlungen aus der Parteienfinanzierung orientiert sich an den erhaltenen Stimmen bei Bundestags-, Landtags- und Europawahlen. Und gerade die GroKo-Parteien mussten insbesondere bei der Bundestagswahl Federn lassen, und so ist die sogenannte Große Koalition auch die kleinste in der Bundesrepublik.
Es wäre jedoch auch an der Zeit, dass Parteien selbstkritischer als bisher ihre Ausgabenstrukturen analysieren. „In viereinhalb Jahren als Schatzmeister habe ich“, so der SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan im ‚Spiegel‘ (14.6.18), „drei Parteivorsitzende, vier Generalsekretäre und drei Bundesgeschäftsführer erlebt.“ Allein im Rahmen der holprigen Regierungsbildung kosteten zwei Sonderparteitage, der Mitgliederentscheid und vorgeschaltete Regionalkonferenzen vier Mio. EURO, der reguläre Bundesparteitag habe weitere zwei Mio. EURO verschlungen. Die demokratische Willensbildung ist nicht zum Schnäppchenpreis zu haben, darüber bin ich mir im Klaren, aber warum sollen die Steuerzahler für alle Irrungen und Wirrungen der Parteien die finanziellen Lasten tragen?
Nicht übersehen dürfen wir, dass 2017 zusätzlich über 580 Mio. EURO an die parteinahen Stiftungen wie Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), Heinrich-Böll-Stiftung (GRÜNE), Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP), Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) und Rosa-Luxemburg-Stiftung (DIE LINKE) flossen. Die AfD war im vergangenen Jahr noch nicht mit einer eigenen parteinahen Stiftung präsent. Diese parteinahen Stiftungen sind für die politische Bildung wichtig, dennoch muss auch hier für noch mehr Transparenz gegenüber den Steuerzahlern Sorge getragen werden. Und bei den Aktivitäten zur politischen Bildung von LINKEN und zukünftig auch der AfD mache ich dann doch ein dickes Fragezeichen!
Hauruck-Verfahren weckt Zweifel
Ich frage mich immer häufiger, ob die Abgeordneten von CDU, CSU und SPD im aufgeblähten XXL-Bundestag, dem zweitgrößten Parlament der Welt, die Bodenhaftung verloren haben? Zumindest erwecken sie diesen Eindruck, wenn sie die Erhöhung der Parteienfinanzierung im Galopp durchsetzen, ansonsten aber eher zum gemächlichen Trab neigen. Und ausgerechnet in einer Woche, in der durch den Streit zwischen CDU und CSU um die Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik die Sprengkraft des ungelösten Flüchtlingsthemas mehr als deutlich wird, denken die Regierungsparteien zuvorderst an die eigenen Parteikassen. Auch LobbyControl moniert zurecht: „Mit einer unverschämt kurzen Frist setzte sie die bei solchen Vorhaben übliche Expertenanhörung im Innenausschuss an. Deshalb hatten noch am letzten Werktag vor der Anhörung drei der sieben Fraktionen keine Sachverständigen benannt.“
Offenheit und Transparenz sind für mich zentrale Wertvorstellungen, die die Politik in unserem Land prägen sollten, doch damit konnten sich CDU, CSU und SPD bei der Erhöhung der Parteienfinanzierung nicht anfreunden. FDP, GRÜNE, Linke und AfD trugen die Blitzaktion zur Geldvermehrung der Parteien nicht mit. Das gesamte Spektakel ist für mich ein Armutszeugnis, denn bei einer sachgerechten Debatte und üblichen Abläufen hätte es gewiss auch eine Chance für einen Beschluss gegeben, der auf eine breitere Zustimmung getroffen wäre. Für geradezu unverschämt halte ich es, die Parteienfinanzierung im Hauruck-Verfahren durchzuziehen, obwohl weit wichtigere Themen anstehen, die den gleichen Elan verdienen würden. Wer wie CDU, CSU und SPD nur einig und zackig unterwegs ist, wenn es ums eigene (Partei-) Geld geht, der schürt die Politikverdrossenheit, und daran ändern dann auch die Aktivitäten der parteinahen Stiftungen im Bereich der politischen Bildung nichts. Das Vorgehen bei der Aufstockung der Parteienfinanzierung ähnelt irgendwie auch Wladimir Putins Vorgehen, der unter dem Deckmantel der Fußball-Weltmeisterschaft das Rentenalter und die Mehrwertsteuer anhob. So habe ich mir Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger nun wirklich nicht vorgestellt.